Propaganda-Feldzug „Entkonfessionalisierung“


  • 1tes Bild zum Dokument
    Bildlupe
  • 2tes Bild zum Dokument
    Bildlupe

Am 7. Juli 1935 forderte Reichsinnenminister Wilhelm Frick in einer Propagandarede in Münster die Entkonfessionalisierung des gesamten öffentlichen Lebens. Zielscheibe der Ausführungen Fricks waren vor allem die vielen kirchlichen Berufsvereinigungen, die kirchliche Presse und die kirchlichen Jugendorganisationen.


Damit begann eine gezielte und groß angelegte Kampagne gegen kirchliche Einrichtungen, die den Monopolanspruch des nationalsozialistischen Staates gefährdeten. Frick stellte dazu fest: Diese Organisationen betätigen sich … auf Gebieten, die der nationalsozialistische Staat … für sich allein in Anspruch nehmen muss. Alle diese Dinge sind geeignet, die deutsche Volksgemeinschaft zu stören. Diese Volksgemeinschaft aber … lassen wir von niemandem mehr zerstören. Ziel war es, die Kirchen aus dem öffentlichen Leben weitestgehend auszuschalten.


Unter der Propaganda-Parole der „Entkonfessionalisierung“ wurden Mitglieder kirchlicher berufsständischer Organisationen zum Austritt gedrängt. Die kirchliche Presse wurde zahlreichen Behinderungen und Verboten unterworfen.


Um die kirchlichen Bekenntnisschulen zu beseitigen, wurden „Schulabstimmungen“ inszeniert, bei denen den Eltern Repressalien angedroht wurden, falls sie nicht für die staatliche Gemeinschaftsschule stimmen sollten. Aus dem Religionsunterricht sollten unliebsame Inhalte wie vor allem das Alte Testament beseitigt und durch die NS-Weltanschauung ersetzt werden. Um Kinder und Jugendliche vom Gottesdienstbesuch abzuhalten, legte die Hitlerjugend ihre Veranstaltungen auf Sonn- und Feiertage.


Diese Maßnahmen und die zugleich einsetzende antichristliche Propaganda von Parteifunktionären und NS-Presse betrafen evangelische und katholische Kirche gleichermaßen. Auf evangelischer Seite wurden sie nicht nur für die Bekennende Kirche, sondern für die gesamte Kirche bis hin zu den Deutschen Christen spürbar.


Auch solche Pfarrer und Gemeindemitglieder, die sich aus den Auseinandersetzungen zwischen Bekennender Kirche und Deutschen Christen herausgehalten hatten, erlebten die zunehmende Einschränkung bisher selbstverständlicher kirchlicher Arbeitsfelder. Dies veranlasste im Juli 1936 sogar den vom NS-Reichskirchenminister als Kirchenleitung eingesetzten Reichskirchenausschuss, in einem „Wort an die Gemeinden“ kritische Töne anzuschlagen.


In vorsichtigen Formulierungen beklagte er die Verächtlichmachung des christlichen Glaubens, die Abhaltung von Partei- und HJ-Veranstaltungen an Sonntagen und die Maßnahmen gegen evangelische Kindergärten, den Religionsunterricht und die kirchliche Jugendarbeit.


Im Gegensatz zu den Protesten der Bekennenden Kirche – vor allem der Denkschrift der Vorläufigen Kirchenleitung an Hitler – verzichtete der Ausschuss jedoch darauf, Staat und Partei direkt verantwortlich zu machen und unterließ jede Kritik, die über rein kirchliche Belange hinausging. Für seine deutschchristlichen Mitglieder war selbst das zu viel: Obwohl sie dem „Wort an die Gemeinden“ zugestimmt hatten, versuchten sie, seine Veröffentlichung noch zu verhindern.


Quelle / Titel


  • Gesetzesblatt der Deutschen Evangelischen Kirche Nr. 19, 16.7.1936, S. 75f.; ©EvAKiZ München.

Verwandte Inhalte