Gleichschaltung der Landeskirche, Absetzung Wurms


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Die Forderung aus den Reihen der Deutschen Christen, das Alte Testament abzuschaffen, die vom Reichsbischof verfügte Eingliederung der kirchlichen Jugendarbeit in die Hitler-Jugend sowie dessen Versuch, die Landeskirchen in die Reichskirche einzugliedern, führten oppositionelle Gruppen aus ganz Deutschland zusammen.


Um die unter Druck stehenden süddeutschen Bischöfe Hans Meiser (1881–1956) und Theophil Wurm (1868–1953) zu stützen, feierten Vertreter freier Synoden und Gemeinden am 22. April 1934 in Ulm gemeinsam einen Bekenntnisgottesdienst. Im Mai konstituierte sich in Barmen die Bekennende Kirche; auf einer ersten gesamtdeutschen und die Bekenntnisgruppen umgreifenden Synode – an der auch acht württembergische Delegierte teilnahmen – wurde der Fundamentaltext der Bekennenden Kirche, die Barmer Theologische Erklärung, angenommen. In Württemberg sammelte sich daraufhin die Bekenntnisgemeinschaft um Theodor Dipper (1903–1969) und Wolfgang Metzger. Diese Gruppierung begleitete den Kurs des Landesbischofs kritisch und suchte ihn zu stützen.


Letzteres sollte im Herbst entscheidend werden, als der Reichsbischof versuchte, mit Gewaltmitteln seine Macht auch auf Württemberg auszudehnen. Unterstützt von den Staatsbehörden beurlaubte Ludwig Müller (1883–1945) am 14. September 1934 wegen vorgeblicher Notstände Wurm; das württembergische Innenministerium verfügte am 6. Oktober 1934 Hausarrest für den gemaßregelten Landesbischof. Zugleich wurde der deutschchristliche Pfarrer Eberhard Kraus zum kommissarischen Landesbischof eingesetzt und auch der Oberkirchenrat wurde wegen angeblich finanzieller Unregelmäßigkeiten unter die kommissarische Leitung eines Berliner Konsistorialpräsidenten gestellt. Der kommissarische Landesbischof setzte umgehend eine Reihe ihm unbotmäßig erscheinender Pfarrer und Dekane ab und ersetzte sie durch deutschchristliche Gefolgsleute.


Allerdings stießen diese Maßnahmen auf entschiedenen Widerspruch: Nicht nur die württembergische Pfarrerschaft stützte Wurm eindrücklich – bei einer Umfrage stellten sich 82% vorbehaltlos hinter den abgesetzten Landesbischof und nur 8% lehnten ihn ab – auch die Gemeinden demonstrierten engagiert für Wurm. An zwei Sonntagen im Oktober kamen je 5000 bis 6000 Gemeindeglieder vor das Haus des Bischofs. Die Demonstrierenden sangen Lieder wie „Ein feste Burg ist unser Gott“ und solidarisierten sich dadurch öffentlich mit Wurm.


Der anhaltende Widerstand – Unterschriftssammlungen wurden durchgeführt, Versammlungen und Bekenntnisgottesdienste im ganzen Land trotz politischer Verbote angesetzt – sowie eine ausführliche Berichterstattung in der ausländischen Presse über die Vorgänge ließen das NS-Regime einlenken: die Bischöfe Theophil Wurm, Hans Meiser und August Marahrens (1875–1950) wurden auf den 30. Oktober 1934 zu Hitler eingeladen und damit wieder in ihr Amt eingesetzt.


Der Versuch Ludwig Müllers, eine Reichsbischofsdiktatur zu errichten, war gescheitert. Die Widerständigkeit von Pfarrern und Gemeindegliedern hatte freilich nicht nur den Reichsbischof in seine Grenzen gewiesen, sondern auch dem NS-Regime die einzige innenpolitische Niederlage beigebracht. Staat und Partei versuchten im Folgenden nicht noch einmal, Wurm abzusetzen, wohl aber wurde die kirchliche Arbeit zunehmend erschwert.


Quelle / Titel


  • © Landeskirchliches Archiv Stuttgart, Bildersammlung

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