Die Konfrontation mit dem „Lenker der Schlachten“


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Fritze, der seit 1904 in Nordhausen als Pfarrer wirkte, wurde 1911 auf seinen Kölner Amtskollegen Carl Jatho aufmerksam, der wegen seiner theologisch liberalen Auffassung vom kirchlichen Berufsverbot bedroht war. Fritze veröffentlichte in der von seinem Freund Professor Martin Rade herausgegebenen Zeitschrift „Die Christliche Welt“ einen kritischen Beitrag zu dem – später erfolgreichen – Amtsentsetzungsverfahren. Dies führte dazu, dass konservative Zeitungen die Behörden in Staat und Kirche vor dem „Jathoisten in Nordhausen“ warnten.


Als „Vertrauensmann“ der „Freunde der Christlichen Welt“ prangerte Fritze 1913 zusammen mit 400 Gesinnungsgenossen aus allen Landeskirchen die von den Kirchen überwiegend begrüßte Kriegsaufrüstung an.Bei Kriegsbeginn 1914 stimmte er in die nationale Begeisterung keineswegs ein. Friedenspredigten waren für ihn eine notwendige Konsequenz – seit 1916 dann auch in Köln.


Bereits seine Einführung zu Ostern – in Verdun tobte die blutige Materialschlacht – stand im Kontrast zu seiner theologischen und politischen Überzeugung. Die Gemeinde sang:


Wir loben dich, oben, du Lenker der Schlachten, /


und flehen: Mögst stehen uns fernerhin bei, /


daß deine Gemeinde nicht Opfer der Feinde! /


Dein Name sei gelobt! O Herr, mach uns frei!


(Altniederländisches Dankgebet in der Übertragung von Joseph Weyl)


Der mittlerweile in den protestantischen Sprachgebrauch eingegangene Begriff „Lenker der Schlachten“ war schon früh durch Theodor Körner, den Dichter der antinapoleonischen „Freiheitskriege“, populär geworden; jetzt feuerte er die fromme Opferbereitschaft besonders unter Protestanten an:


Brüllend umwölkt mich der Dampf der Geschütze; /


Sprühend umzucken mich rasselnde Blitze; /


Lenker der Schlachten, ich rufe dich. /


Vater, du führe mich!


(Theodor Körner: Gebet während der Schlacht)


Das Gebet an den „Lenker der Schlachten“ wurde auch von Fritzes Kölner Amtsbrüdern, ob liberal oder konservativ, vorbehaltlos übernommen; sie waren von der deutschen Sache überzeugt. Angesichts der überwältigenden Kriegsbegeisterung seiner Kollegen predigte Fritze anfänglich behutsam gegen den Strich: Das Reich Gottes, das allen Völkern in allen Erdteilen gelte, und das Reich des Vaterlandes, seien nicht dasselbe, und man dürfe nicht vergessen, dass nur eines von ihnen das Höchste sein könne.


In seinem Haus trafen sich in der Folgezeit 30 bis 50 Gleichgesinnte, die mitten im Krieg über Frieden und Versöhnung nachdachten. In den „Gemeindenachrichten“ berichtete ein Gemeindeglied 1917 – offensichtlich aus eigener Anschauung – über die Diskrepanz zwischen gepredigtem und erlebtem Krieg. Der schmutzige Soldatenalltag, vor allem aber die Folgen des Artilleriefeuers – Zerstückelung durch die Artilleriegeschosse, Verschüttung im zusammengeschossenen Graben usw. – nähmen dem Krieg alles Heroische.


Auch in einer Predigt Fritzes anlässlich der am 29. April 1917 stattfindenden „Visitation der Ev[angelischen] Gemeinde Cöln“ machte Fritze deutlich, dass das Reich Gottes in allen Völkern aller Weltteile seine Glieder habe und dass dieses Reich und das Reich des Vaterlandes […] nicht dasselbe sind und daß nur eines von ihnen das Höchste sein könne.


Quelle / Titel


  • © Auszug aus: Predigt und Ansprache gehalten bei der Visitation der Ev. Gemeinde Cöln von Pfarrer Fritze und Superintendent Rehse am 29. April 1917 in der Antoniterkirche. Cöln o.J., 4–6.

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