Proteste gegen das NS-„Rechtswesen“


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Im Juli bzw. August 1937 wandte sich von Pechmann an das Reichsjustizministerium, um sich für den Hohentrüdinger Pfarrverweser Richard Dietz (1911–1944) einzusetzen. Dietz war von einem Sondergericht in Nürnberg zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt worden, ohne dass die bayerische Kirchenleitung Einblick in die Gerichtsakten erhalten hatte. Von Pechmann konnte aber durch Vermittlung der Landeskirche die Anklageschrift prüfen. Dabei entdeckte er Unstimmigkeiten in der Urteilsbegründung, die er mit dem Reichsjustizminister besprechen wollte. Zugleich verwies er auf die negativen außenpolitischen Folgen einer kirchenfeindlichen Politik (F. W. Kantzenbach, Widerstand, 222f.).


In einem zweiten Schreiben an Justizstaatssekretär Franz Schlegelberger (1876–1970) setzte sich von Pechmann erneut für Dietz ein. Außerdem kam er auf die Fälle des Berlin-Dahlemer Pfarrers Martin Niemöller (1892–1984) und des Münchner Jesuitenpaters Rupert Mayer (1876–1945) zu sprechen, die kurz zuvor verhaftet worden waren. Von Pechmann argumentierte, Dietz habe sich nur wenig zu Schulden kommen lassen. Die Strafe sei überzogen, insbesondere die Anwendung des Heimtückegesetzes. Mit Blick auf aktuelle Aussagen zum Heimtückegesetz betonte er, dass dem Ansehen der deutschen Rechtspflege am besten gedient sei, wenn man einen Weg finden könnte, um den schwer begreiflichen und in seinen Auswirkungen verhängnisvollen Fehlspruch des Nürnberger Sondergerichts unschädlich zu machen.


In prinzipiellen Betrachtungen zum Heimtückegesetz und mit Blick auf Niemöller und Mayer kritisierte von Pechmann die zahllosen kirchenfeindlichen Angriffe der Presse, denen die Kirche hilflos ausgeliefert sei. Theologen, die die Kirche verteidigten, würden bespitzelt und denunziert. Ihnen, die vielfach im Ersten Weltkrieg ihren Mut bewiesen hätten, drohe nun die Gefahr, einem Gesetz zum Opfer zu fallen, das schon in seiner Überschrift diffamierend wirke. Demgegenüber verbürge er sich für Niemöller und Mayer. Die Inhaftierung dieser vielbewährten Zeugen der christlichen Wahrheit konterkariere das Heimtückegesetz. Der Schaden sei insbesondere für den Staat unermeßlich (F. W. Kantzenbach, Widerstand, 227).


Von Pechmann betonte die prinzipielle Staatsloyalität der Kirche, warnte aber vor der Fortführung oder gar einer Ausweitung der kirchenfeindlichen Politik und vor einer ausufernden Anwendung des an sich schon nicht ganz zweifelsfreien Instruments des „Heimtücke“-Gesetzes. Daraus könne eine Oppositionshaltung gegen den Staat entstehen, die sich zwar nicht öffentlich zeige – dies könnten die Monopolisten der Öffentlichkeit verhindern –, dadurch aber umso gefährlicher sei (F. W. Kantzenbach, Widerstand, 228). Von Pechmann beendete sein Schreiben mit dem Hinweis, dass eine wahrheitsgemäße Anwendung des Wortes „Heimtücke“ zur Beschreibung eines Tatbestandes Fehlurteile wie das gegen den alles andere als heimtückischen Pfarrer Dietz unmöglich machen würde. Auch Rupert Mayer oder Martin Niemöller seien dann sicher vor dem Sondergesetz.


In der Folgezeit thematisierte von Pechmann gegenüber staatlichen und kirchlichen Stellen wiederholt die widerrechtliche Inhaftierung Niemöllers und Mayers. Er überprüfte zudem die Prozessakten Mayers und bemühte sich, ihn aus der Gestapohaft an unbekanntem Ort (Konzentrationslager Sachsenhausen) in den regulären Strafvollzug zu überführen. Tatsächlich wurde Mayer im August 1940 dann im Kloster Ettal interniert.


In einem Brief an den Sohn Friedrich von Bodelschwinghs (1831–1910), Gustav von Bodelschwingh (1872–1944), schilderte von Pechmann anhand der Fälle von Niemöller und Mayer seine Sicht auf den nationalsozialistischen Staat als Unrechtsregime, wie es sonst nur noch in der Sowjetunion herrsche. Trotz starker Kritik am Kriegsgegner England verwies er auf das dortige Rechtssystem und die noch gültigen christlichen Grundlagen der europäischen Kultur.


Quelle / Titel


  • © Landeskirchliches Archiv Nürnberg, NL von Pechmann, Nr. 52/45–48

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