„Gerichtsrede“ an Meiser


  • 1tes Bild zum Dokument
    Bildlupe
  • 2tes Bild zum Dokument
    Bildlupe
  • 3tes Bild zum Dokument
    Bildlupe
  • 4tes Bild zum Dokument
    Bildlupe
  • 5tes Bild zum Dokument
    Bildlupe
  • 6tes Bild zum Dokument
    Bildlupe
  • 7tes Bild zum Dokument
    Bildlupe
  • 8tes Bild zum Dokument
    Bildlupe

Im September 1938 war wegen der sog. Sudetenkrise der Ausbruch eines Krieges unmittelbar zu erwarten. Das oberste Leitungsgremium des bruderrätlichen Flügels der Bekennenden Kirche, die 2. Vorläufige Kirchenleitung (VKL II), gab anlässlich der drohenden Kriegsgefahr eine Gebetsliturgie heraus, an deren Zustandekommen Karl Steinbauer beteiligt war und die in den Gottesdiensten am 30. September 1938 gehalten werden sollte.


In dieser Liturgie wurde das eigene Versagen zum Ausdruck gebracht, Gottes Beistand erwartet und die Hoffnung auf Frieden formuliert. Weil der Krieg durch das Münchner Abkommen im letzten Moment abgewendet werden konnte, wurde die Liturgie in den Gottesdiensten dann jedoch nicht verlesen. Der NS-Staat reagierte trotzdem mit einer massiven Attacke auf die Bekennende Kirche und beschuldigte sie des Verrats und der Sabotage.


Am 29. Oktober 1938 verfügte das Reichskirchenministerium über die Mitglieder der VKL II eine Gehaltssperre. Am selben Tag berief Reichskirchenminister Hanns Kerrl (1887–1941) die Bischöfe der bayerischen, hannoverschen, württembergischen und badischen Landeskirche zu einer Besprechung ein und forderte sie dazu auf, sich von den Mitgliedern der VKL II als Landesverräter zu distanzieren. Der bayerische Landesbischof Hans Meiser (1881–1956) verlangte, zunächst mit den Beschuldigten zu sprechen. Kerrl verbot dies jedoch und kündigte an, die Mitglieder der VKL II würden in ein Konzentrationslager überführt. Unter dem Druck des Ministers unterzeichneten die Bischöfe schließlich eine leicht abgeschwächte Erklärung:


Wir stellen fest, daß das von der „Vorläufigen Leitung“ am 27. September 1938 herausgegebene Rundschreiben betreffend Abhaltung von Gebetsgottesdiensten anläßlich bevorstehender Kriegsgefahr von uns aus religiösen und vaterländischen Gründen mißbilligt und für unsere Kirchen abgelehnt worden ist. Wir verurteilen die darin zum Ausdruck gekommene Haltung auf das schärfste und trennen uns von den für diese Kundgebung verantwortlichen Persönlichkeiten (zitiert nach K. Meier, Kirchenkampf 3, 57). Der Reichskirchenminister wollte aus der Erklärung kirchenpolitisches Kapital schlagen und ließ sie veröffentlichen, so dass sie weithin bekannt wurde.


Die Erklärung vertiefte die ohnehin schon bestehende Spaltung zwischen den lutherischen Bischöfen der intakten Landeskirchen und den Bruderräten in den zerstörten Landeskirchen nachhaltig. Die Bruderräte betrachteten sie als Verrat an der Bekennenden Kirche. Die Bischöfe gerieten unter hohen Rechtfertigungsdruck. Ihre Glaubwürdigkeit konnte auch das Leitungsgremium des bischöflichen Flügels der Bekennenden Kirche, der Lutherrat, nicht wiederherstellen, der ihnen im November 1938 ausdrücklich seinen Dank für das in schwierigster Lage eingenommene mannhafte Verhalten aussprach (zitiert nach K. Meier, Kirchenkampf 3, 60).


Auch Landesbischof Meiser wurde scharf kritisiert. So warf ihm ein Gemeindeglied aus München vor, den Brüdern aus den zerstörten Landeskirchen den Dolchstoß gegeben zu haben. Aus den Reihen der bayerischen Pfarrer war es erneut Karl Steinbauer, der Meiser besonders stark attackierte. Sein Schreiben vom 19. Dezember 1938 war eine regelrechte „Gerichtsrede“, in der er Meiser anklagte, tief in den Garnen des Unglaubens verstrickt zu sein. Dazu hielt er Meiser die einzelnen Stationen seines Fehlverhaltens vor: die Wahl des von Hitler gewünschten Deutschen Christen Ludwig Müller zum Reichsbischof 1933, die Zustimmung zu den vom Reichskirchenminister installierten Kirchenausschüssen 1935, die Forderung nach dem Treueid der Pfarrer auf Hitler 1938 und schließlich der Verrat an den Mitgliedern der VKL II.


Quelle / Titel


  • © Privatbesitz Elisabeth Giesen geb. Steinbauer, Köln

Verwandte Inhalte