Nürnberger Gesetze


  • 1tes Bild zum Dokument
    Bildlupe

Am 15. September 1935 wurden auf dem 7. Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg, dem sogenannten „Reichsparteitag der Freiheit“,das „Reichsbürgergesetz“ und das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ beschlossen. Mit diesen „Nürnberger Gesetzen“ wurden die jüdischen Mitbürger zu Menschen minderen Rechts.


Fortan standen nur noch „Reichsbürgern“ die vollen politischen Rechte zu; Reichsbürger aber konnte nur sein, wer deutschen oder artverwandten Blutes war. Kein Jude durfte mehr ein öffentliches Amt bekleiden. Eheschließungen und vorehelicher Geschlechtsverkehr zwischen Juden und Nichtjuden wurden unter Strafandrohung verboten. Auch wurde Juden die Beschäftigung von deutschen Frauen unter 45 Jahren im Haushalt und das Hissen der Reichs- und Nationalflagge untersagt.


Die evangelischen Kirchenleitungen schwiegen zu den Nürnberger Gesetzen. Nach den geheimen Lage- und Stimmungsberichten der Gestapo ist anzunehmen, dass ein Großteil der evangelischen Bevölkerung die gesetzliche Ausgrenzung der Juden begrüßte.


Manche evangelische Christen scheinen dabei die Hoffnung gehabt zu haben, mit den „klaren“ Regelungen der Nürnberger Gesetze würden die erschreckenden antisemitischen Ausschreitungen aufhören. Unter den Pfarrern war die Überzeugung weit verbreitet, der Staat habe für seinen Bereich grundsätzlich das Recht, gegen die Juden vorzugehen.


Diese Haltung reichte bis tief in die Bekennende Kirche hinein. Ein Beispiel dafür ist die 1936 erschienene Schrift „D. Martin Luther. Von den Jüden. Luthers christlicher Antisemitismus nach seinen Schriften“ des Hallenser Bekenntnispfarrers Walter Gabriel.


In dieser Schrift plädierte Gabriel für einen christlichen Antisemitismus, der den Feind liebt, den er bekämpft. Er betrachtete es als gemeinsame Aufgabe von Staat und Kirche, eine Lösung der Judenfrage herbeizuführen. Dabei habe der Staat der Kirche volle Freiheit für die Judenmission zu gewähren, während die rassischen und sozialen Einzelheiten dem Staat überlassen bleiben müssten. Die Kirche müsse es akzeptieren, wenn der Staat glaube, gegen die Juden als staatsgefährlich ... vorgehen zu sollen.


Gabriels Thesen waren in der Bekennenden Kirche umstritten, aber vor der 3. Bekenntnissynode der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union vom 23. bis 26. September 1935 in Berlin-Steglitz wurde sogar ein Synodalbeschluss gefordert, der dem Staat ausdrücklich das Recht zubilligen sollte, gesetzliche Regelungen gegen die Juden zu treffen.


Dieser Beschluss kam nicht zustande, aber auch das von einer Minderheit angemahnte Wort gegen die Judenverfolgung wurde nicht gesprochen. Nach harten Auseinandersetzungen und mit Rücksicht auf die zunehmenden staatlichen Repressalien gegen die Kirche konnte sich die Synode in einer Botschaft an die Gemeinden nur zu der Mahnung durchringen, auch weiterhin „Judentaufen“ vorzunehmen. Zu den Nürnberger Gesetzen schwieg sie.


Quelle / Titel


  • ©Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte München, KK 48.7410

Verwandte Inhalte