Erste Inhaftierung, Rede- und Aufenthaltsverbot


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Bei den Reichstagswahlen am 29. März 1936 verweigerte Karl Steinbauer wegen Wahlbetrugs die staatlich angeordnete Beflaggung der Kirchengebäude und das Glockengeläut. Am 20. Juni 1936 wurde er im Penzberger Pfarrhaus verhaftet und im Weilheimer Gefängnis inhaftiert. Nach einem Protest seines Penzberger Kirchenvorstands wurde er zwar wenige Tage später wieder entlassen, aber am 1. Juli 1936 verhängte das Bezirksamt Weilheim auf Weisung des Reichskirchenministeriums wegen seiner ständigen staatsabträglichen Hetze ein Redeverbot für das gesamte Deutsche Reich und ein Aufenthaltsverbot für Oberbayern über Steinbauer. Er war nicht gewillt, dieses Verbot zu befolgen.


Die Geistlichen des Bezirkskirchentages Ebenhausen solidarisierten sich mit Steinbauer und stellten in einer Erklärung vom 5. Juli 1936 fest: Wir alle müssen und werden Gott mehr gehorchen als den Menschen; wir alle können uns weder einem Predigtverbot, das eine staatliche Stelle gegen uns ausspricht, fügen, noch können wir uns an der Verkündigung des Wortes Gottes innerhalb der Gemeinde, an die wir in der Installation gewiesen worden sind, hindern lassen. Aus diesem Grunde erklären wir einmütig, daß die Sache des Herrn Vikar Steinbauer unsere eigene Sache ist. Zugleich baten die Unterzeichner der Erklärung den Landeskirchenrat, alle Schritte zu unternehmen, damit die Freiheit der Verkündigung des Evangeliums gewahrt bleibt.


Die Kirchenleitung bemühte sich beim Bezirksamt Weilheim um die Aufhebung des Rede- und Aufenthaltsverbots. Da sie für den Fall seiner Rückkehr nach Penzberg seine sofortige Verhaftung befürchtete, vereinbarte die Kirchenleitung mit Steinbauer, er solle Urlaub nehmen und erst nach der Aufhebung des Verbots in sein Amt zurückkehren. Die Bemühungen der Kirchenleitung scheiterten jedoch. Der Landeskirchenrat beschloss daraufhin, Steinbauer solle das Aufenthaltsverbot anerkennen.


Für Steinbauer stand dem Aufenthaltsverbot jedoch seine Bindung an die Penzberger Gemeinde entgegen. Das Redeverbot betrachtete er als Widerspruch zum Missionsbefehl Jesu. Als ihm der Beschluss des Landeskirchenrats eröffnet wurde, antwortete Steinbauer, er könne es unter keinen Umständen auf sein Gewissen nehmen, in solcher Sache den Präzedenzfall zu geben. Damit würde er nur der Gestapo den Weg frei machen, eine neue Methode einzuführen, Versetzungen vorzunehmen und unliebsame Pfarrer abzuschieben und mundtot zu machen (K. Steinbauer, Zeugnis 2, 52, 56).


Gegen seine Überzeugung ließ sich Steinbauer vom Landeskirchenrat dann jedoch überreden, vorerst einen Predigtauftrag in Augsburg zu übernehmen. Um seine Penzberger Gemeinde nicht im Sich zu lassen, bat er den Augsburger Pfarrverweser Christoph Simon, mit ihm die Stelle zu tauschen und die Betreuung der Penzberger Gemeinde zu übernehmen. Steinbauer selbst musste in Augsburg seine Predigten dem Dekan vorlegen. Er bat zwar den Landeskirchenrat um Aufhebung dieser „Predigtzensur“, Landesbischof Hans Meiser (1881–1956) lehnte dies angesichts der gegebenen Umstände jedoch ab.


Der Penzberger Kirchenvorstand war mit dem Vorgehen des Landeskirchenrats nicht einverstanden. In einem Schreiben vom 30. Juli 1936 verlangte er, dass der Landeskirchenrat Herrn Steinbauer auch gegen das Aufenthaltsverbot wieder an seinen Amtssitz Penzberg zurückberuft (K. Steinbauer, Zeugnis 2, 61). Als sich die gravierenden Meinungsverschiedenheiten mit dem Landeskirchenrat nicht ausräumen ließen, kündigte der Penzberger Kirchenvorstand am 24. August 1936 an, Steinbauer eigenmächtig nach Penzberg zurückzurufen, weil er es gewissensmäßig nicht fertig bringen könne, dem Landeskirchenrat die letzte Verantwortung in Sachen Steinbauer zu überlassen (K. Steinbauer, Zeugnis 2, 77). Zugleich bat der Kirchenvorstand die Unterzeichner der Erklärung des Ebenhausener Bezirkskirchentags um ihre Unterstützung.


Wegen seiner Predigttätigkeit in Augsburg wurde Steinbauer am 3. August 1936 vor die Gestapo zitiert, wo er auf sein Ordinationsgelübde und den Predigtbefehl Jesu verwies. Am 10. August setzte ihn die Gestapo von der Aufhebung des Predigtverbots in Kenntnis, drohte ihm wegen der Inhalte seiner Predigten jedoch weitere Maßnahmen an. Steinbauer entgegnete darauf: Sie drohen mir mit dem Konzentrationslager Dachau. ... Aber schauen Sie, mir droht noch eine viel furchtbarere Sache als Dachau. Mir droht das Jüngste Gericht. ... Der Tag kommt, an dem vor dem wiederkommenden Christus alle Menschen auf den Knien liegen, Adolf Hitler und Sie und ich (K. Steinbauer, Zeugnis 2, 70f).


Nach weiteren Bemühungen des Landeskirchenrats wurde am 26. September 1936 schließlich auch das Aufenthaltsverbot aufgehoben und Steinbauer konnte nach Penzberg zurückkehren.


Quelle / Titel


  • © 1+2: Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte München, A 30.15

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