Auseinandersetzungen mit Staat und Kirchenleitung


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Am 1. April 1933 wurde Karl Steinbauer Exponierter Vikar in Penzberg und erhielt damit einen selbstständigen Pfarrsprengel. Dort kam es schon im Juli 1933 zu Auseinandersetzungen mit dem Kreisleiter der NSDAP, weil Steinbauer bei den Kirchenwahlen dafür sorgte, dass der Penzberger Kirchenvorstand in seiner alten Zusammensetzung erhalten blieb und nicht in die Hände von parteihörigen Kirchenvorstehern geriet.


Ein schwerer Konflikt entzündete sich 1935 anlässlich der NS-„Auferstehungsfeier“ für die „Gefallenen“ des Hitler-Ludendorff-Putsches vom 9. November 1923. Dabei wurden die von den Nationalsozialisten als Helden verehrten Toten des gescheiterten Putschversuchs exhumiert und in der Nacht vom 8. auf den 9. November 1935 in die neu errichteten „Ehrentempel“ am Münchner Königsplatz überführt. Anlässlich dieser Feier war die Beflaggung sämtlicher Kirchen angeordnet. Weil Steinbauer die Beflaggung verweigerte, wurde er angeklagt und zu zwei Wochen Gefängnis verurteilt. Die Kirchenleitung zeigte für sein Verhalten kein Verständnis. Landesbischof Hans Meiser (1881-1956) äußerte, er verstehe Steinbauers Aufregung nicht, die Inszenierung der Nationalsozialisten sei doch eine durchaus würdige Feier gewesen (K. Steinbauer, Zeugnis 1, 257).


Zum nächsten Konflikt kam es, als zu den Reichstagswahlen am 29. März 1936 erneut Beflaggung und Glockengeläut angeordnet waren. Steinbauer vertrat grundsätzlich die Ansicht, dass die Kirche kein subalternes Staatsunternehmen ist (K. Steinbauer, Zeugnis 2, 3). Deshalb hatte er seine Mesnerinnen und Mesner angewiesen, bei staatlichen Anlässen nur mit seinem Einverständnis zu beflaggen oder zu läuten. Am 29. März läutete eine Mesnerin trotzdem. Steinbauer, dem der Wahlbetrug bekannt geworden war und der bei der Wahl mit Nein gestimmt hatte, untersagte der Mesnerin das Läuten und wurde angezeigt. Beim Polizeiverhör führte er aus, er könne nicht mit dem Läuten Gott zu diesem Betrug „Ja“ sagen lassen und der Gemeinde gegenüber so tun, als sei die Wahl Anlaß, auf die Knie zu fallen und Gott zu danken (K. Steinbauer, Zeugnis 2, 4).


Wegen dieser Anzeige lud die Kirchenleitung Steinbauer nach München vor. Dabei wies ihn der Landesbischof darauf hin, welche Folgen es für die Landeskirche gehabt hätte, wenn alle Pfarrer nicht geläutet hätten. Steinbauer entgegnete: Sie bedenken offenbar nicht, daß das Läuten auch Folgen hatte, diese nämlich, daß die Männer von Staat und Partei der Kirche kein Stück Brot mehr abnehmen. ... Diese Leute müssen meinen, die Kirche sei durchaus in der Lage, offensichtlichen Betrug auf einen Wink des Staates durch Glockengeläute zu salvieren. Als Steinbauer ermahnt wurde, die Kirchenleitung allein trage die Verantwortung und er habe den bischöflichen Weisungen zu gehorchen, antwortete er: Wir sind nicht römisch-katholisch, sondern evangelisch-lutherisch. Bischof der evangelischen Gemeinde in Penzberg bin ich und nicht Sie ... ich kann und darf mir diese Verantwortung von niemandem abnehmen lassen (K. Steinbauer, Zeugnis 2, 5f). Dazu berief sich Steinbauer auf seine Ordination und die Installation durch seine Gemeinde in Penzberg.


Bei der Maifeier 1936 verweigerte Steinbauer wegen eines kirchen- und christentumsfeindlichen Aufrufs Robert Leys (1890–1945) erneut Glockengeläut und Beflaggung. Damit ging Steinbauer trotz der Schwangerschaft seiner Frau Eugenie das Risiko einer Verhaftung ein. Als der örtliche Gendarm im Auftrag der Gestapo das Fehlen der Beflaggung feststellte, wurde Steinbauer angezeigt.


Für das Verhör vor der Penzberger Gendarmeriestation fertigte Steinbauer am 2. Mai 1936, zwei Tage vor der Geburt seiner ersten Tochter Elisabeth, eine Erklärung an, in der er sein Verhalten ausführlich begründete. Diese Erklärung hinterließ nicht nur bei der örtlichen Gendarmerie großen Eindruck, sondern wurde in der ganzen Bekennenden Kirche Deutschlands bekannt. Die Münchner Kirchenleitung hingegen erkannte seine Überzeugungstreue zwar an, missbilligte aber seine Verweigerung und sprach eine Ermahnung aus, weil er mit der Nichtbeflaggung den Gehorsam gegenüber seiner vorgesetzten Behörde verweigert habe.


Quelle / Titel


  • © Landeskirchliches Archiv Nürnberg, PA Theol. 5387/4 Steinbauer Karl

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