Ein programmatischer Konflikt


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Im Januar 1934 war die erst ein halbes Jahr zuvor geschaffene Reichskirche unter Reichsbischof Ludwig Müller (1883–1945) am Zerfallen. Die kirchliche Opposition, zu der auch der bayerische Landesbischof Hans Meiser (1881–1956) gehörte, plante die Absetzung des Reichsbischofs, der die häretische Theologie der Deutschen Christen vertrat und für zahlreiche Rechtsbrüche sowie die Verfolgung opponierender Geistlicher verantwortlich war. In dieser Lage fand am 25. Januar 1934 ein Empfang evangelischer Kirchenführer bei Hitler statt. Dabei drohte Hitler mit dem Entzug der Staatszuschüsse an die Kirche und setzte die Kirchenführer so stark unter Druck, dass sie sich erneut dem Reichsbischof unterstellten.


Dies wirkte wie eine Kapitulation und trieb einen Keil zwischen den Leiter des Pfarrernotbundes, Martin Niemöller (1892–1984), auf der einen und die oppositionellen Bischöfe Hans Meiser, Theophil Wurm (1868–1953) und August Marahrens (1875–1950) auf der anderen Seite. Landesbischof Meiser bereute sein Verhalten und stellte dem bayerischen Landessynodalausschuss am 31. Januar 1934 sein Amt zur Verfügung. Der Landessynodalausschuss sprach Meiser jedoch sein Vertrauen aus.


Am 1. Februar 1934 fand dann in Nürnberg eine Pfarrerversammlung statt, auf der Meiser vor mehreren hundert Geistlichen sein Verhalten zu rechtfertigen versuchte. Als sich auch auf dieser Versammlung eine Vertrauenskundgebung für den Landesbischof abzeichnete, meldete sich der junge Penzberger Vikar Karl Steinbauer zu Wort. Er warf Meiser vor, durch die Unterstellung unter den häretischen Reichsbischof das Bekenntnis verleugnet, die Kirche verraten und die Notbundpfarrer im Stich gelassen zu haben. Die Bischöfe hätten sich erpressen lassen und den Männern des Staates … nicht das schuldige Zeugnis gegönnt, sondern verweigert (zitiert nach C. Blendinger, Gott, 46).


Steinbauer wurde vom Landeskirchenrat umgehend dazu aufgefordert, seine Vorwürfe zu erläutern. Daraufhin legte er in einem Schreiben vom 4. Februar 1934 seine Anklagepunkte gegen den derzeitigen Landesbischof D. Meiser ausführlich dar und stellte fest, dass er einen Bischof, der Häresie bejaht, der nicht frei protestiert dagegen, nicht mehr anerkennen könne. Am 5. Februar erschien Steinbauer außerdem persönlich im Münchner Landeskirchenamt. Dabei kam es auch zu einem Gespräch mit Meiser, in dem die unterschiedlichen Standpunkte des jungen Vikars und des Landesbischofs in programmatischer Weise deutlich wurden. In Steinbauers Erinnerungen heißt es dazu:


Mit dem Landesbischof hab ich noch einmal die ganzen Fragen offen und redlich durchgesprochen und dargelegt, was ich in Nürnberg schon gesagt hatte. Seine Antwort ist mir unvergeßlich, er sagte: „Was Sie hier sagen, ist theologisch alles sehr fein, aber wir müssen mit gegebenen Tatsachen rechnen“. Die gegebenen Tatsachen waren eindeutig Adolf Hitler, seine Macht, sein Drohen, seine Staatszuschüsse usw. Ich habe darauf geantwortet: „Es fragt sich nur, ob der Herr Christus, dem gegeben ist alle Gewalt im Himmel und auf Erden, auch noch eine gegebene Tatsache ist, mit der wir in der Kirche rechnen dürfen.“ (K. Steinbauer, Zeugnis 1, 120f.)


Wenige Tage später enthob der Landeskirchenrat Steinbauer von seinem Amt, weil er die Würde des Reichskanzlersverletzt habe (C. Blendinger, Gott, 55). Nach Protesten der Kirchenvorstände von Penzberg, Kochel und Seeshaupt wurde diese Maßnahme zu Ostern 1934 jedoch wieder rückgängig gemacht. Zugleich wurde Steinbauer ermahnt, sich in kirchenpolitischen Fragen künftig zurückzuhalten. Der grundsätzliche Konflikt zwischen Steinbauer und Meiser aber – auf der einen Seite der kompromisslos Christus und seinem Gewissen verpflichtete Vikar, auf der anderen Seite der um des Bestandes der Kirche und des Schutzes ihrer Mitarbeiter willen anpassungsbereite Bischof – entzündete sich während der nationalsozialistischen Herrschaft immer wieder aufs Neue und blieb auch nach Ende des Zweiten Weltkriegs bestehen.


Quelle / Titel


  • © Privatbesitz Elisabeth Giesen geb. Steinbauer, Köln

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