Godesberger Erklärung


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Im Frühjahr 1939 unternahm Reichskirchenminister Hanns Kerrl einen neuen Versuch, die zerstrittene Deutsche Evangelische Kirche zu ordnen. Dazu wollte er alle kirchlichen Gruppierungen auf der Basis von gemeinsamen Grundsätzen vereinigen, die von den Deutschen Christen über die neutrale „Mitte“ bis hin zur gemäßigten Bekennenden Kirche unterschrieben und in einer Erklärung der Öffentlichkeit vorgestellt werden sollte.


Kerrl hoffte, bei Hitler damit eine Änderung der Haltung von Staat und Partei gegenüber der evangelischen Kirche zu erwirken. Die Auseinandersetzungen um die Grundsätze ließen in erschreckender Weise erkennen, wie weit verbreitet und tief verwurzelt die Abneigung gegen das Judentum im deutschen Protestantismus war.


Traurige Berühmtheit erlangte die erste Fassung der Grundsätze, die „Godesberger Erklärung“ von Ende März 1939. Diese Erklärung stellte eine verheerende Vermischung von Christentum und nationalsozialistischer Weltanschauung dar. Sie definierte das Christentum ausschließlich „völkisch-national“ und richtete sich gleichermaßen gegen Judentum und Ökumene.


So hieß es, der christliche Glaube sei der unüberbrückbare religiöse Gegensatz zum Judentum. Die internationale Ökumene wurde als politische Entartung des Christentums diffamiert. Die Erklärung wurde nicht nur von radikalen Deutschen Christen, sondern auch von zahlreichen namhaften Vertretern der neutralen kirchlichen „Mitte“ unterzeichnet.


Die nicht deutschchristlichen Kirchenleiter konnte der Reichskirchenminister allerdings nicht zur Annahme bewegen. Daher gab er bei Vertretern der kirchlichen „Mitte“ eine neue Fassung in Auftrag, die den zur gemäßigten Bekennenden Kirche gehörenden Bischöfen entgegenkommen sollte. Die neuen Grundsätze von Ende Mai 1939 waren zwar abgemildert, enthielten aber verschärfte Aussagen zum Verhältnis von Judentum und Christentum:


Die nationalsozialistische Weltanschauung bekämpft mit aller Unerbittlichkeit den politischen und geistigen Einfluß der jüdischen Rasse auf unser völkisches Leben. Im Gehorsam gegen die göttliche Schöpfungsordnung bejaht die Evangelische Kirche die Verantwortung für die Reinerhaltung unseres Volkstums. Darüber hinaus gibt es im Bereich des Glaubens keinen schärferen Gegensatz als den zwischen der Botschaft Jesu Christi und der jüdischen Religion der Gesetzlichkeit und der politischen Messiashoffnung.


Die nicht deutschchristlichen Kirchenleiter unterzeichneten jedoch nicht. Stattdessen legten die gemäßigten Bekenntnisbischöfe August Marahrens, Theophil Wurm und Hans Meiser sowie einige andere Kirchenleiter dem Reichskirchenminister eine nochmals abgeschwächte Fassung der Grundsätze vor. Doch auch in dieser Version hieß es:


Im Bereich des Glaubens besteht der scharfe Gegensatz zwischen der Botschaft Jesu Christi und seiner Apostel und der jüdischen Religion der Gesetzlichkeit und der politischen Messiashoffnung … Im Bereich des völkischen Lebens ist eine ernste und verantwortungsbewußte Rassenpolitik zur Reinerhaltung unseres Volkes erforderlich. Selbst in einer ablehnenden Stellungnahme der radikalen Bekennenden Kirche zur Godesberger Erklärung fand sich die Formulierung: Der christliche Glaube steht in einem unüberbrückbaren religiösen Gegensatz zum Judaismus.


Kerrls Vorhaben, sämtliche Gruppierungen der Deutschen Evangelischen Kirche mit einer gemeinsamen Erklärung zu vereinen, endete schließlich in einem Scherbenhaufen. Zwar warb die kirchliche Mitte noch bis Kriegsbeginn für die Grundsätze, doch weder die radikalen Deutschen Christen noch die nicht deutschchristlichen Kirchenleiter ließen sich geschlossen zur Annahme bewegen.


Weil der hannoversche Landesbischof August Marahrens und einige andere nicht deutschchristliche Kirchenleiter unter dem Druck des Reichskirchenministers die Grundsätze doch noch unterzeichneten, drohte jetzt sogar die bisher geschlossene Front der nicht deutschchristlichen Kirchenleiter zu zerbrechen.


Quelle / Titel


  • ©Evangelisches Zentralarchiv in Berlin, 1/1271, Bl. 8ff.

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