Wunibald Löhe: Protest gegen die "Euthanasie"


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Als die Nationalsozialisten im Rahmen der „Euthanasie"-Aktion die Mehrzahl der Bewohnerinnen und Bewohner der Neuendettelsauer Pflegeanstalten in Tötungsanstalten verschleppten und dort ermordeten, wagte der pensionierte Oberregierungsrat Wunibald Löhe (1869–1945) einen besonders mutigen Schritt.


Wunibald Löhe war ein Enkel Wilhelm Löhes (1808–1872), der 1854 das Diakonissenmutterhaus in Neuendettelsau gegründet hatte. Wunibalds Vater Ferdinand Löhe gehörte das Schlossgut in Polsingen, bis es 1903 in den Besitz des Diakoniewerks Neuendettelsau überging. Durch seine Familie wurde Wunibald Löhe streng evangelisch-lutherisch, deutsch-national und monarchistisch geprägt.


Nach einem Studium der Rechtswissenschaften wurde er Beamter des Königreichs Bayern. Im Ersten Weltkrieg war er als Bezirksamtmann in Stadtsteinach im Frankenwald tätig. 1919 wurde er nach Bad Königshofen versetzt, bevor er 1921 die Ernennung zum Oberregierungsrat und Leiter des Bezirksamtes Nördlingen erhielt.


Dem Nationalsozialismus gegenüber war Wunibald Löhe nicht grundsätzlich abgeneigt. Er unterhielt auch Kontakte zu Parteimitgliedern. Allerdings geriet er schon 1933 in Konflikt mit örtlichen Parteifunktionären. Als die Bürgermeisterwahl mit Stimmengleichheit ausging, wollten die Nationalsozialisten ihren Kandidaten durchsetzen. Gegen den Willen des NSDAP-Kreisleiters führte Löhe jedoch den bei Stimmengleichheit gesetzlich vorgeschriebenen Losentscheid durch, bei dem der Gegenkandidat der NSDAP gewann. Der Kreisleiter beantragte daraufhin die Absetzung Löhes, die auf Grund der Intervention eines Verwandten Löhes bei Reichsstatthalter Franz Ritter von Epp (1868–1946) jedoch unterblieb.


Als 1934 die Vereidigung der Beamten auf Hitler durchgeführt wurde, entschied Löhe wegen seines früheren Beamteneides auf Thron und Altar, den Eid nicht abzulegen, sondern sich vorzeitig pensionieren zu lassen, und siedelte nach Polsingen über.


Dort wurde er am Morgen des 10. Dezember 1940 Augenzeuge, wie aus der Polsinger Einrichtung der Neuendettelsauer Pflegeanstalten ca. 30 Frauen und Mädchen abtransportiert wurden. Obwohl ihm bewusst war, dass er damit sich selbst und seine Familie in schwere Gefahr brachte, protestierte er noch am selben Tag schriftlich bei Hitler und bat ihn, die Polsinger Pfleglinge alsbald wieder hierher bringen zu lassen und dem ganzen Vorgehen gegen solche Kranke gütigst sofort ein Ende zu machen (zitiert nach C.-R. Müller/H.-L. Siemen, Warum sie sterben mußten, 85).


Zur Begründung seiner Bitte gab Löhe seine Pflicht gegen Gott und gegen Sie Herr Reichskanzler und gegen mein Volk … und gegen diese kranken Volksgenossen an (zitiert nach C.-R. Müller/H.-L. Siemen, Warum sie sterben mußten, 85). Wie tief religiös motiviert Löhes Protest war, wurde auch deutlich, als ein ehemaliger Schulkamerad den Brief an Hitler abfing, um Löhe und seine Familie zu schützen. Der Schulkamerad teilte ihm dazu mit: Deinen Brief an Hitler habe ich vernichtet. Du kannst Dir denken, was sonst passiert wäre. Mit Dir über dieses Thema zu diskutieren ist bei Deiner christlichen Einstellung zwecklos (zitiert nach W. Löhe, Bezirksamtmann, 20).


Löhe beließ es nicht bei seinem schriftlichen Protest bei Hitler. Im Frühjahr 1941 sabotierte er den Abtransport von Kranken: Als er erfuhr, dass am Polsinger Schloss Busse vorgefahren waren, um Kranke abzuholen, wies er die Busfahrer an, sofort wieder abzufahren, weil an diesem Tag keine Transporte stattfinden würden. Die Busfahrer waren überrascht, folgten jedoch seiner Anweisung. Als die für den Abtransport zuständigen Parteifunktionäre eintrafen, waren die Busse bereits fort und die Aktion musste um eine Woche verschoben werden. In dieser Woche konnten mehrere Kranke nach Hause geschickt und damit vor der Ermordung gerettet werden. Der NSDAP-Ortsgruppenleiter stellte zwar Nachforschungen an, wer die Busfahrer fortgeschickt hatte, Löhe wurde jedoch nicht behelligt.


Quelle / Titel


  • © Privatbesitz Familie Bölke, Polsingen

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