Neue Erinnerungskultur


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Die kritische Sicht auf die Rolle der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern im Nationalsozialismus und die Neuentdeckung des Widerstandes einzelner bayerischer Christinnen und Christen schlägt sich seit den 1990er Jahren auch in einer neuen Erinnerungskultur nieder.


Die Initiative dazu geht von der Kirchenleitung, einzelnen Kirchengemeinden, Lokalpolitikern, Wissenschaftlern, Publizisten und Journalisten aus. Durch Ausstellungen, Vortragsveranstaltungen, Zeitungs- und Zeitschriftenbeiträge, Buchpublikationen, Hörfunk- und Fernsehsendungen sowie die Anbringung von Gedenktafeln wird im kirchlichen und öffentlichen Raum auf vielfältige Weise an das widerständige Verhalten Einzelner erinnert.


So erinnerten die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern, die Israelitische Kultusgemeinde und die Bayerische Handelsbank sowie seine Geburtsstadt Memmingen 1998 in Gedenkveranstaltungen an Wilhelm Freiherr von Pechmann. Im selben Jahr benannte die Augustana-Hochschule in Neuendettelsau ein Gebäude nach ihm. Seit 2000 ist außerdem ein Weg im Englischen Garten in München nach von Pechmann benannt. 2001 wurde im Eingangsbereich des Münchner Landeskirchenamtes eine Gedenktafel für von Pechmann und seinen Einsatz gegen die Judenverfolgung angebracht. Daran erinnert auch der Wilhelm-Pechmann-Preis, den die bayerische Landeskirche seit 2007 für herausragende Leistungen in Forschung, Bildung und Publizistik vergibt.


Die bayerische Pfarrbruderschaft verleiht seit 2000 das „Steinbauerzeichen“, mit dem Menschen ausgezeichnet werden, die sich wie Karl Steinbauer in der Öffentlichkeit mutig um Aufrichtigkeit, Wahrhaftigkeit und Menschlichkeit bemühen. An Steinbauer erinnert außerdem eine Wanderausstellung. An seinem früheren Wirkungsort Penzberg ist ein Weg nach ihm benannt.


Die evangelische Kirchengemeinde in Gauting benannte ihr Gemeindehaus 1999 nach Walter Hildmann und die evangelische Kreuzkirche in München 2009 ihren Gemeindesaal nach Albert Lempp. Die Kreuzkirche hält außerdem mit einer Website die Erinnerung an Albert Lempp und seinen Kreis wach.


Auf Initiative der bayerischen Kirchenleitung erschien 2011 die Dokumentation „Glaubensgenossen in Not“ von Karl-Heinz Fix über die Hilfsstellen für rasseverfolgte Christen in München und Nürnberg. An die von Pfarrer Johannes Zwanzger geleitete Münchner Hilfsstelle erinnert seit dem selben Jahr eine Gedenktafel in der Mathildenstraße.


Seit März 2012 erinnert eine Gedenktafel in der Pirckheimerstraße auch an die Nürnberger Hilfsstelle unter Pfarrer Hans-Werner Jordan. Auf der Nürnberger Gedenktafel werden zugleich Dr. Walter Berlin (1887–1963) und seine Familie erwähnt, die Vorbesitzer des Hauses, in dem sich die Hilfsstelle befand. Walter Berlin war bei den Novemberpogromen 1938 schwer misshandelt worden und 1939 nach England emigriert.


In jüngster Zeit erinnern Buchpublikationen von Wolfgang Sommer auch an Friedrich Veit und Wilhelm Freiherr von Pechmann. Hasso von Haldenwang veröffentlichte eine Würdigung Friedrich von Prauns, dessen widerständiges Verhalten bisher nur bruchstückhaft bekannt war.


In zahlreichen Artikeln befasste sich das „Sonntagsblatt. Evangelische Wochenzeitung für Bayern“ mit widerständigen evangelischen Christen wie Karl Steinbauer, Albert Lempp und Wolfgang Niederstraßer. In ihren historischen Dokumentarfilmen erinnerte die Filmemacherin Jutta Neupert an Gerhard Günther, Friedrich von Praun, Elisabeth Braun, Georg Elser und die bayerischen Hilfsstellen für rasseverfolgte Christen.


Quelle / Titel


  • © Foto: Karl-Heinz Fix, München

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