Staatliche Finanzaufsicht über die Kirche


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Am 11. März 1935 erließ das Preußische Staatsministerium das „Gesetz über die Vermögensverwaltung in den evangelischen Landeskirchen“. Aufgrund dieses Gesetzes wurden in der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union, die nahezu die Hälfte des deutschen Protestantismus ausmachte, sogenannte „Finanzabteilungen“ eingesetzt. Weitere Finanzabteilungen folgten bei sieben Kirchenleitungen und der Deutschen Evangelischen Kirchenkanzlei.


Diese Abteilungen setzten den kirchlichen Haushalt fest, überwachten die Verwendung der Haushaltsmittel und führten die kirchliche Finanzaufsicht über die Kirchengemeinden. Bis 1937 bestanden sie aus Beamten der allgemeinen kirchlichen Verwaltung. Ihre Mitglieder wurden vom Staat berufen.


Willkommener Anlass für den neuerlichen Staatseingriff waren Missstände in der kirchlichen Finanzverwaltung, die seit 1933 infolge des Kampfes zwischen Deutschen Christen und Bekennender Kirche aufgetreten waren. So missbrauchten die Deutschen Christen hohe Beträge für Repräsentationszwecke und Propaganda, während die Bekennende Kirche Kollekten und Umlagen auf Sonderkonten umleitete, um sie dem Zugriff der deutschchristlichen Kirchenbehörden zu entziehen.


In die Finanzabteilungen traten zunächst nicht nur Deutsche Christen ein, sondern auch gut kirchlich eingestellte Mitarbeiter von Kirchenbehörden und sogar Angehörige der Bekennenden Kirche. So ließen sich der Stuttgarter Direktor Hermann Müller und der Münchener Vizepräsident Hans Meinzolt in die Finanzabteilung bei der Deutschen Evangelischen Kirchenkanzlei berufen. Damit wollten sie sich Einfluss auf die Entscheidungen der Finanzabteilungen sichern und die Kirche vor noch schlimmeren Eingriffen schützen.


Die anfänglich noch kirchliche Gesinnung vieler Finanzabteilungsmitglieder kam in der Bekanntmachung betr. Aufnahme der Geschäfte durch die Finanzabteilung bei der Deutschen Evangelischen Kirchenkanzlei vom 14. November 1935 zum Ausdruck, die um die vertrauensvolle Mitarbeit der Landeskirchen und aller ihrer Glieder warb. Sie konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der nationalsozialistische Staat mit den Finanzabteilungen ein wirksames kirchenpolitisches Machtinstrument geschaffen hatte.


Dies wurde spätestens 1937 deutlich, als das Reichskirchenministerium die Staatsaufsicht über die evangelische Kirche massiv auszudehnen begann. Am 25. Juni 1937 erließ das Ministerium eine Verordnung, die das System der Finanzabteilungen auf alle Landeskirchen ausweiten sollte und ihre Befugnisse erweiterte. Bewusst fehlte die frühere Bestimmung, dass nur kirchliche Beamte Mitglieder werden durften.


Damit war der Weg für das Reichskirchenministerium frei, die Finanzabteilungen mit Deutschen Christen und kirchenfremden Nationalsozialisten zu besetzen. Die betroffenen Kirchenleitungen sahen sich im eigenen Haus plötzlich mit Gegenregierungen konfrontiert, die vom Reichskirchenministerium gesteuert wurden. Die Finanzabteilungen griffen in sämtliche Angelegenheiten bis hin zu den Pfarrstellenbesetzungen ein.


Davon besonders betroffen waren die Landeskirchen von Hannover, Baden und Braunschweig. In Braunschweig startete die Finanzabteilung sogar den Ausverkauf des kirchlichen Grundbesitzes. Erst jetzt setzte ein breiterer kirchlicher Protest ein, der gegen die Maßnahmen der Finanzabteilungen aber nichts mehr bewirken konnte.


Quelle / Titel


  • Gesetzesblatt der DEK Nr. 34 vom 19.11.1935, S. 118. ©EvAKiZ, München.

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