Hans Meiser: Protest gegen Ansbacher Judenboykott


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Am 1. April 1933 organisierten die Nationalsozialisten reichsweit einen in der deutschen Geschichte bisher beispiellosen Boykott jüdischer Geschäfte, Anwälte und Ärzte. Wenige Tage später wurden jüdische Beamte aus dem Dienst entlassen. Außerdem wurde jüdischen Anwälten die Zulassung verweigert und der Zugang von Juden zum Hochschulstudium beschränkt. Mit diesen Maßnahmen begann das NS-Regime, sein agggressiv antisemitisches Programm umzusetzen. Die evangelischen Kirchenleitungen schwiegen dazu.


Dies gilt auch für die bayerische Landeskirche. Landesbischof Hans Meiser (1881–1956) nahm die Ausgrenzung der Juden aus dem öffentlichen Leben jedoch zum Anlass, auf der Sitzung des Landeskirchenrats am 30. August 1933 über die Behandlung der „Nichtarier“ zu berichten. Der Landeskirchenrat beschloss daraufhin, eine Vorstellung gegenüber dem Ministerium zu erheben, weil durch diese Maßnahme viel Unrecht erlitten werde (zitiert nach K.-H. Fix, Glaubensgenossen, 35). Adressat dieser Vorstellung sollte der mit Meiser persönlich bekannte Reichsjustizminister Franz Gürtner (1881–1941) sein. Bis heute ist nicht bekannt, ob ein derartiges Schreiben tatsächlich abgesandt worden ist.


Landesbischof Meiser legte jedoch schriftlichen Protest ein, als es zu einer lokalen Boykottaktion gegen Juden kam. Im März 1934 verbreitete die NSDAP-Kreisleitung Ansbach-Feuchtwangen Handzettel mit einer Erklärung, nach der sich die Bürgerinnen und Bürger von jetzt ab und in alle Zukunft ehrenwörtlich verpflichten sollten, keine Handelsgeschäfte mit Juden abzuschließen, jüdische Geschäfte, Arzt- und Anwaltspraxen nicht mehr zu betreten und Juden den Zugang zu deutschen Privatwohnungen zu verwehren.


In fanatischem Rassenwahn verlangte die Kreisleitung, dass die Unterzeichner auch ihre Familien zum Fernbleiben von Juden verpflichten und sich durch Einsicht in ein Verzeichnis davon ... überzeugen sollten, welche Juden und welche jüdischen Geschäfte im Kreis Ansbach-Feuchtwangen existieren. Wer dieser Erklärung zuwiderhandelte, wurde mit dem sofortigen Ausschluss aus der Partei und ihren Organisationen bedroht und musste damit rechnen, öffentlich in Wort und Schrift als Ehrenwortbrecher und Lump diffamiert zu werden.


In seinem Protestschreiben vom 29. März 1934 bat Landesbischof Meiser den bayerischen Ministerpräsidenten Ludwig Siebert (1874–1942) dringend, die Verbreitung dieser Erklärung unverzüglich einstellen zu lassen. Dabei wies er unmissverständlich darauf hin, in welch krasser Weise die Aufforderung zu der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Schädigung der Juden den Gesetzen christlichen Handelns zuwiderläuft.


Meiser schrieb weiter, die geforderte Erklärung bringe die besten Teile der Bevölkerung, die sich aus voller Überzeugung dem Nationalsozialismus und dem Dritten Reich erschlossen haben, in einen unerträglichen Gewissenskonflikt und damit in eine ablehnende Haltung gegenüber dem heutigen Staat. Diese Argumentation war charakteristisch für die kirchliche Eingabenpolitik, die sich bemühte, innerhalb der gegebenen politischen Verhältnisse Veränderungen herbeizuführen, ohne jedoch das NS-System grundsätzlich anzugreifen.


Quelle / Titel


  • © 1+2: Landeskirchliches Archiv Nürnberg, LKR 1608 a

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