Matthias Simon: Religiöser Sozialismus


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Im Gegensatz zur großen Mehrheit national-konservativ eingestellter Pfarrer gehörte Matthias Simon (1893–1972) zur verschwindend kleinen Minderheit der Religiösen Sozialisten und war wohl der einzige bayerische Pfarrer, der Mitglied der SPD wurde.


Simon, Weltkriegsteilnehmer und Freikorpskämpfer in der Münchner Revolutions- und Rätezeit, war seit 1925 Pfarrer in Arzberg. Nachdem er schon während seiner Vikariatszeit die Versäumnisse von Kirche und Bürgertum angeprangert hatte, erlebte er in der Porzellanstadt Arzberg hautnah die soziale Notlage der Arbeiter und begann, sich politisch zu profilieren.


Großes Aufsehen erregte vor allem ein Artikel, in dem Simon sich für den Volksentscheid über die Enteignung der Fürsten im Juni 1926 einsetzte. Während die oberste Vertretung der evangelischen Kirchen – der Deutsche Evangelische Kirchenausschuss –, gegen den Volksentscheid plädierte, weil eine Fürstenenteignung den Grundsätzen des Evangeliums widerspreche, setzte Simon mit seinem Artikel ein Zeichen der Solidarität mit den Arbeitern: Obwohl sie im Krieg für Deutschland gekämpft hätten, müssten sie jetzt Not leiden, während den Fürsten ihr Besitz geblieben sei.


Hatte er sich parteipolitisch bisher enthalten, trat Simon im selben Jahr der SPD bei und nahm auch öffentlich gegen die Nationalsozialisten Stellung. So protestierte er in seinem Gemeindeblatt gegen eine Weihe der Sturmfahnen Julius Streichers (1885–1946), die in der Nürnberger St. Lorenzkirche stattgefunden hatte. Simon sah in der NSDAP eine destruktive Kampforganisation, die Fahnenweihe bezeichnete er als unglaubliche Entgleisung, die einer Kriegserklärung an alle andersdenkenden Gemeindeglieder gleichkomme (Zitate nach T. Kluck, Simon, S. 51f.).


Nachdem Simon mit seinem Artikel zur Fürstenenteignung bereits den Kirchenvorstand und die Pfarrkonferenz gegen sich aufgebracht hatte, wurde er nach seiner Stellungnahme gegen die Fahnenweihe nun auch von der NS-Presse angegriffen. Als er im September 1926 seinen Standpunkt auf einer von ihm einberufenen Volksversammlung verteidigen wollte, fand gleichzeitig eine Gegenversammlung statt, auf der beschlossen wurde, ihn nicht mehr als Pfarrer anzuerkennen und die Regierung zum Einschreiten aufzufordern.


Die Münchner Kirchenleitung unter Kirchenpräsident Friedrich Veit (1861–1948), bei der zahlreiche Beschwerden über Simon eingegangen waren, verhielt sich ihm gegenüber moderat und sprach lediglich eine Ermahnung aus, er solle sich in Zukunft politisch zurückhalten. Simon folgte dieser Weisung zunächst und wurde erst 1930 wieder politisch aktiv, als zahlreiche seiner bayerischen Pfarrerkollegen für die NSDAP agitierten. So trat er im Vorfeld der Reichstagswahlen im September 1930 auf Parteiveranstaltungen der SPD auf.


Klar Stellung gegen den Nationalsozialismus bezog er auch auf der Tagung der Arbeitsgemeinschaft für Volksmission im Juli 1931 in Neuendettelsau, die unter dem Hauptthema Der Nationalsozialismus und die evangelische Kirche stand. Die mehrheitlich nationalsozialistisch eingestellten Zuhörer waren über Simons Ausführungen empört, ebenso wie die pro-nationalsozialistischen Referenten. Dazu gehörte auch der Lehrer, Leiter des NSDAP-Untergaues Oberfranken und spätere bayerische Kultusminister Hans Schemm (1891–1935), der eine flammende Rede gegen den Bolschewismus hielt.


Im Jahr darauf übernahm Simon eine Stelle als Religionslehrer am Realgymnasium in Nürnberg. 1935 erinnerte man sich im jetzt nationalsozialistischen Kultusministerium an seine frühere Mitgliedschaft in der SPD und seine ablehnende Haltung gegenüber der NSDAP.


Ernst Boepple (1887–1950), der seit dem Tod Schemms im März 1935 dem Kultusministerium vorstand, wollte beim Landeskirchenrat erreichen, dass Simon aus dem Schuldienst entfernt und ins Pfarramt zurückgenommen wurde. Simon, der im Schuldienst verbleiben wollte, versuchte dem Ministerium zwar einen Gesinnungswandel glaubhaft zu machen, ging dann aber 1936 ins Pfarramt zurück.


Künftig hielt Simon sich politisch zurück. Nach dem Zweiten Weltkrieg rief er auf Anregung des Landeskirchenrats gemeinsam mit dem Landesvorsitzenden der SPD Waldemar von Knoeringen (1906–1971) den Gesprächskreis „Kirche und SPD“ ins Leben. Berühmt wurde er vor allem für seine verdienstvollen kirchengeschichtlichen Arbeiten und als Leiter des Nürnberger Landeskirchlichen Archivs der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern.


Quelle / Titel


  • © Landeskirchliches Archiv Nürnberg, Bildersammlung Personen Simon, Matthias P6_001

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