Hesselberg: Verweigerung der Kirchenbeflaggung


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Der Hesselberg bei Wassertrüdingen diente den Nationalsozialisten seit 1928 alljährlich als Schauplatz für groß angelegte propagandistische Kundgebungen. Inszeniert wurde der „Frankentag“ vom fränkischen Gauleiter und Herausgeber des antisemitischen Hetzblatts „Der Stürmer“ Julius Streicher (1885–1946).


Protestantische Bevölkerung und fränkische Kirchenführer nahmen am Volksgemeinschaftskult auf dem Hesselberg anfangs noch begeistert Anteil (T. Greif, Flaggenstreit, 171). Dies änderte sich jedoch, als Hermann Göring (1893–1946) beim „Frankentag“ im Juni 1935 eine bis ins Ausland beachtete kirchenfeindliche Rede hielt.


So verkündete Göring mit Blick auf die Kirche: Wenn wir wallfahren zu einer alten Kultstätte unserer Vorfahren, so mögen sie das ... als Heidentum bezeichnen; aber sie mögen es uns nicht verübeln, wenn wir wieder in der Geschlossenheit unseres Volkes hier zusammenströmen, unsere Herzen hochzuheben zu der Idee unseres Führers, anstatt das Geschwätz zänkischer Pfaffen anhören. Es ist besser, daß wir ... die Einheit unsers Volkes bezeugen, als daß wir durch Konfessionsstreit dieses Volk auseinandertreiben lassen. (J. Gauger, Chronik 3, 526).


Diese Rede provozierte nicht nur den Protest von Landesbischof Hans Meiser (1881–1956), der Pfarrervereine und der Kirchengemeinden, sondern führte auch zu einem Streit mit Partei und Staat über die Beflaggung kirchlicher Gebäude.


Von den Kanzeln war zu hören, nach den kirchenfeindlichen Schmähungen auf den „Frankentagen“ wäre es charakterlos, Kirche und Pfarrhaus zu diesem Anlass noch zu beflaggen. Der Pfarrer von Hilpoltstein urteilte in einem Schreiben an den Landeskirchenrat vom 27. Mai 1937, die Beflaggung sei eine reine Unmöglichkeit. Die Kirche würde sich selbst damit einen Schlag ins Gesicht versetzen! (zitiert nach T. Greif, Flaggenstreit, 173).


Da die bayerische Kirchenleitung nur eine widersprüchliche Anweisung herausgab, blieb die Entscheidung über die Beflaggung den Kirchengemeinden selbst überlassen. Wie örtliche Polizeiposten beim „Frankentag“ 1937 beobachteten, entschied sich die Mehrheit der Gemeinden dafür, ihre Kirche nicht zu beflaggen.


Diese Weigerung wurde aus NS-Sicht als Zeichen gewertet, dass die Geistlichen den Nationalsozialismus ablehnten. Die Bezirksämter erhielten Anweisung, gegen die verantwortlichen Pfarrer Anzeige zu erstatten.


Die Gemeinden gaben ihren Widerstand gegen die Beflaggung allerdings auf, als im Vorfeld des „Frankentages“ 1938 Verhandlungen der Kirchenleitung mit Staats- und Parteistellen scheiterten, die Kirchen von den Beflaggungsanordnungen auszunehmen. Danach kam es nur noch zu einem erneuten Protestschreiben von Landesbischof Meiser, da Julius Streicher seine antikirchlichen Ausfälle auf dem „Frankentag“ fortsetzte.


Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wählte die bayerische Kirchenleitung den Hesselberg symbolträchtig als Standort für die erste evangelische Landvolkshochschule.


Quelle / Titel


  • © Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, Nürnberg

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