Elisabeth Braun: Unterkunft für Verfolgte


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In den Jahren von 1937 bis 1941 fanden im Hildebrandhaus in der Münchner Maria-Theresia-Straße mindestens 15 rasseverfolgte Menschen Unterkunft, die ihre Wohnungen und Häuser durch die Entrechtungs- und Verfolgungsmaßnahmen der Nationalsozialisten verloren hatten. Die stattliche Künstervilla befand sich seit 1934 im Besitz von Elisabeth Braun (1887–1941) und ihrer Stiefmutter Rosa Braun (1870–1945).


Elisabeth Braun wurde als Tochter eines wohlhabenden jüdischen Schneidermeisters und Kaufmanns in München geboren und absolvierte das Lehrerinnenexamen für neuere Sprachen vor der Regierung von Oberbayern. 1920 entschloss sie sich zum Austritt aus der Israelitischen Kultusgemeinde und wurde in die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern aufgenommen. Von 1919 bis 1923 lebte sie als Schriftstellerin in Tegernsee, dann in München und von 1927 bis 1938 wieder in Tegernsee. Beim Tod ihres Vaters 1929 erbte sie ein größeres Vermögen.


Während ihre Stiefmutter schon 1934 eine Wohnung im Hildebrandhaus bezog, blieb Elisabeth Braun zunächst in Tegernsee. Erst als die Judenverfolgung eskalierte und Verwandte in den Selbstmord getrieben wurden, zog sie 1938 zu ihrer Stiefmutter. Zugleich bereitete sie ihre Auswanderung vor. Als Mieter nahm sie bevorzugt „nicht-arische“ Christen auf, die Opfer der zwangsweisen Arisierung geworden waren, meist alleinstehende Frauen. Dabei mussten sie und ihre Stiefmutter empfindliche Einschränkungen ihres eigenen Wohnraums in Kauf nehmen.


Zugleich war Elisabeth Braun selbst von der Zwangsarisierung ihres Eigentums bedroht, weil sie unter die nationalsozialistische Rassegesetzgebung fiel. Durch ihren unermüdlichen Kampf konnte sie das Hildebrandhaus noch für einige Jahre vor dem Zugriff der Nationalsozialisten retten. Im Juni 1940 wurde ihre Lage aber so bedrohlich, dass sie ein Testament verfasste, in dem sie die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern als Alleinerbin einsetzte. Ihr Erbe sollte der Betreuung und Mission von „nichtarischen“ Christen dienen, das Hildebrandhaus auch weiterhin Rasseverfolgten als Unterkunft dienen.


Dazu kam es jedoch nicht: Im August 1941 mussten Elisabeth Braun und ihre Mitbewohnerinnen und Mitbewohner das Haus verlassen und wurden in einem Münchner Lager für Juden interniert. Kurz darauf zog die Gestapo wegen „volks- und staatsfeindlicher Bestrebungen“ ihr Vermögen ein. Im November 1941 wurde Elisabeth Braun zusammen mit 1.000 weiteren Münchner „Nichtariern“ nach Kaunas in Litauen deportiert und erschossen. Ihre Stiefmutter Rosa Braun wurde 1942 deportiert und starb 1945 im Getto Theresienstadt.


Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern konnte das Erbe Elisabeth Brauns erst nach dem Krieg antreten. Sie errichtete daraus einen Sonderfonds, aus dem heute u. a. der Verein „Begegnung von Christen und Juden“ und ein Altenheim für Christen jüdischer Herkunft in Haifa unterstützt werden.


Quelle / Titel


  • © Stadtarchiv München

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