Friedrich Seggel: Predigt gegen das Novemberpogrom


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Friedrich Seggel (1877–1965) gehörte zu den wenigen bayerischen Pfarrern, die in einer Predigt die Verbrechen des Novemberpogroms vom 9./10. November 1938 öffentlich verurteilten. Seggel war seit 1920 Pfarrer in Mistelgau, wo er sich schon bald den Ruf eines politischen Predigers erwarb (Marlen Rabl, Seggel, 55).


Er selbst bezeichnete sich als streng deutschnational, bewertete Teile der NS-Ideologie positiv und war Mitglied der NSDAP. Sein Verhältnis zum Nationalsozialismus blieb jedoch ambivalent und schlug im Laufe der NS-Herrschaft in partielle Gegnerschaft um. Seine christlichen Überzeugungen und sein oft derbes, autoritär-selbstbewusstes Auftreten brachten Seggel seit 1933 immer wieder in Konflikte mit den nationalsozialistischen Machthabern.


So wurde er im März 1934 vom Ortsgruppenleiter angezeigt, weil er in seinen Predigten die Versuche zur Gleichschaltung der Kirche, die Verfolgung von Pfarrern und die NS-Rassenideologie kritisiert hatte. Das Verfahren wurde jedoch eingestellt, ebenso wie zwei weitere Anzeigen wegen kritischer Äußerungen und staatsfeindlicher Einstellung 1935 und 1936.


Die wiederholten Anzeigen, Bespitzelungen und Forderungen nach seiner Absetzung hinderten Seggel nicht daran, in seiner Bußtagspredigt vom 16. November 1938 offen die Gewalttaten des Novemberpogroms anzuprangern. Seine mehrfach vorgetragene Predigt über den Synagogensturm enthielt zwar antisemitische Aussagen, Seggel verurteilte aber deutlich den Greuel an heiliger Stätte und bekannte, als Deutscher möchte ich meine Hand nicht zur Gewalttat an einen Juden legen. Die Täter seien Unmenschen gewesen, ein Christenmensch tut so etwas nicht (Zitate nach Marlen Rabl, Seggel, 63f.).


Diese Predigt führte erneut zu einer Anzeige. Da die Gemeindemitglieder jedoch keine klaren Aussagen machten, wurde auch diese Anzeige wieder fallengelassen. In den folgenden Jahren kam es noch zu drei weiteren Verfahren wegen Krititk an einem HJ-Führer, öffentlicher Bekanntgabe von Kirchenaustritten und Verstoßes gegen baurechtliche Bestimmungen.


Dass Seggel zwar eine Vielzahl von Repressalien erlitt, von ernsthaften Folgen letztlich aber verschont blieb, war neben seinem Formulierungsgeschick bei den Verhören auch dem Rückhalt bei seiner Gemeinde und kirchlichen Vorgesetzten zu verdanken.


Quelle / Titel


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