Ein „Nein“ zur Politik Hitlers bei der Wahl 1938


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Beim Wahltag am 10. April 1938 aus Anlass des „Anschlusses“ von Österreich an das Reich entschloss sich das Ehepaar Mörike zu einer mutigen Protesthandlung. Sie legten jeweils eine anonym verfasste persönliche Erklärung in die Wahlurne. Statt in den allgemeinen Freudentaumel über die Errichtung des „Großdeutschen Reiches“ auszubrechen, dem auch viele Kirchenleute verfallen waren, wollten sie anlässlich der Jubelwahl ihre persönliche Sorge über die antikirchliche Haltung des NS-Staates zum Ausdruck bringen.


Die Erklärung von Otto Mörike lautete:


Obwohl es mir schwer fällt, mich an dieser Wahl überhaupt zu beteiligen, nachdem es bei der letzten Wahl am 29. März 1936 offensichtlich nicht mit rechten Dingen zuging, so möchte ich doch die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, auch auf die Gefahr hin, dass diese Erklärung dieselbe Bewertung erfährt wie seiner Zeit die leeren Stimmzettel, und erkläre folgendes:


Auf die Frage: Bist du mit der am 13. März 1938 vollzogenen Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich einverstanden?, antworte ich mit Ja. Auf die zweite Frage: Stimmst Du für die Liste unseres Führers Adolf Hitler?, antworte ich mit Nein.


Gertrud Mörike verneinte beide Fragen und fügte noch einen Protest gegen die Inhaftierung von Pfarrer Martin Niemöller hinzu:


Was tut ein Mann im KZ, der Vater von 7 Kindern ist und der im Krieg als Kapitänleutnant seinen Mann gestellt hat wie kaum ein zweiter? Solange wir die Bibel noch haben, werden wir doch auch noch nach ihr leben dürfen oder gilt die Glaubensfreiheit nur für Nichtchristen?


Unter Brechung des Wahlgeheimnisses wurden die Erklärungen der beiden schon am Wahlabend bei einer Parteiversammlung im Saal des „Goldenen Adlers“ in Kirchheim/Teck bei Freibier öffentlich verlesen und diskutiert. In der Nacht drangen SA-Leute gewaltsam in das Pfarrhaus ein, holten Otto Mörike aus dem Bett, schlugen ihn blutig und brachten den „Volksverräter“ anschließend – vorbei an einer wütenden Menge – ins Amtsgefängnis der Stadt.


Quelle / Titel


  • © Landeskirchliches Archiv Stuttgart, Dekanatsarchiv Leonberg, Altreg. Ortsakten Weissach A I 1

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