Kirchenpräsident und Landesbischof 1933


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Als Vertreter der konservativen Richtung wurde Theophil Wurm am 13. Juni 1929 zum Kirchenpräsidenten der württembergischen Landeskirche gewählt. Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse zu Beginn der 1930er Jahre meinte Wurm zu erkennen, dass Deutschland nur die Wahl zwischen einer roten Diktatur oder der Bewegung Hitlers habe – zumal die Nationalsozialisten auch gegen die kirchenfeindlichen Äußerungen der Freidenkerverbände Position bezogen.


Wurm sah in den Nationalsozialisten eine Bewegung, die zu neuer Stabilität und Einheit führen könnte. Den sich in Württemberg formierenden deutschchristlichen Gruppen stand Wurm skeptisch gegenüber, war jedoch zu einer bedingten Zusammenarbeit bereit. Insbesondere teilte er deren Engagement für eine breit angelegte Volksmission, ließen die neuen Verhältnisse doch darauf hoffen, dass der Kirche entfremdete Volkskreise wieder gewonnen werden könnten.


In einer programmatischen Rede, die Wurm am 19. April 1933 auf einer Versammlung des Pfarrvereins hielt, kommt dies nachdrücklich zum Ausdruck:


Manches, was heute geschieht, erleichtert den Dienst des Pfarrers: manche Tür steht weiter offen als früher. Anderes erschwert ihn; auch heute ist viel Schweres mitzutragen. Mit voller Entschlossenheit stellt sich, wie ich schon mehrfach bekundet habe, die Kirche ein auf die Aufgaben, die die Gegenwart unserem Staat und Volkstum stellt. Viele von uns haben jahrzehntelang, solange der Marxismus das Denken der deutschen Arbeiterschaft fast restlos beherrschte, schwer darunter gelitten, daß das Eintreten für die Lebensnotwendigkeiten von Volk und Vaterland wie eine Unfreundlichkeit, ja wie eine Feindseligkeit gegen den Aufstieg der Arbeiterschaft gedeutet wurde. Heute ist dieser Schein beseitigt, heute ist der 1. Mai nicht mehr Symbol des Klassenkampfes, sondern der wahren Arbeits- und Schicksalsgemeinschaft aller Stände. Der Dank für Rettung aus unmittelbar drohender schwerer Gefahr und die Freude darüber, daß der neue Staat inbezug auf die innere und äußere Volksgesundheit Aufgaben sieht und anfaßt, zu denen wir den Staat der Vorkriegs- und Nachkriegszeit vergeblich mahnten, überwiegt auch die Besorgnis, ob nicht die vielbesprochene Gleichschaltung ein allzurasches Tempo anschlage. Immerhin glaube ich gegenüber übereifrigen und den Tatbestand nicht immer zutreffend wiedergebenden Presseäußerungen hervorheben zu sollen, daß die evangelische Kirche keine Ortskrankenkasse ist, die saniert werden müßte (Schäfer 1, S. 327f.).


Die veränderten Verhältnisse sollten bald auch konkrete Auswirkungen in der Landeskirche nach sich ziehen: Am 15. Mai 1933 hatte der ständige Ausschuss des Landeskirchentags Wurm mit einem kirchlichen „Ermächtigungsgesetz“ die Befugnis übertragen, auch ohne den Landeskirchentag notwendig erscheinende Maßnahmen zu ergreifen. Um den auf Umgestaltung der Kirche drängenden Deutschen Christen entgegenzukommen, wurde ein Vertreter dieser Gruppe, Wilhelm Pressel, zum 1. Juni in den Oberkirchenrat aufgenommen. Ausdruck gewann die neue Situation auch dadurch, dass Wurm am 30. Juni angetragen wurde, künftig den Titel „Landesbischof“ zu führen.


Die vom NS-Staat nach Verabschiedung der neuen evangelischen Kirchenverfassung auf den 23. Juli angesetzten Kirchenwahlen umging man in Württemberg: Wurm hatte darauf hingewirkt, dass die verschiedenen Gruppierungen durch Absprache den neuen Landeskirchentag bildeten, wobei den Deutschen Christen eine – knappe – Mehrheit vorbehalten war. Mit dem neuen Titel und dem deutschchristlich dominierten Landeskirchentag hatte sich die württembergische Kirche dem autoritären Stil des NS-Regimes angeglichen.


Auch auf der Ebene des Reiches war Wurm bereit, den gegebenen Verhältnissen Rechnung zu tragen. Als Ende Mai eine lebhafte Debatte über die Person eines künftigen Reichsbischofs ausbrach, stellte sich Wurm gegen den Kandidaten der Jungreformatorischen Bewegung, Friedrich von Bodelschwingh, und unterstützte den „Vertrauensmann“ des Führers, Ludwig Müller, der von den Deutschen Christen nominiert worden war. Beim Eröffnungsgottesdienst der Nationalsynode im September, die Müller zum Reichsbischof wählte, hielt Wurm die Predigt.


Quelle / Titel


  • BuzzWoof, gemeinfrei