Protest gegen die „Euthanasie“


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Durch einen von Hitler im Oktober 1939 ausgefertigten Geheimbefehl, der auf den 1. September – den Tag des Kriegsbeginns – zurückdatiert war, wurde die Ermordung von psychisch Kranken sowie körperlich und geistig Behinderten angeordnet. Zur Vorbereitung des „Euthanasie“-Programms übersandte Reichsärzteführer Leonardo Conti an entsprechende Anstalten Meldebögen, die für jeden Patienten auszufüllen waren.


Die Mordmaßnahmen begannen in Süddeutschland: Das in Württemberg gelegene „Krüppelheim Grafeneck“ musste geräumt werden und diente nunmehr – wie fünf weitere Tötungsanstalten – der Ermordung der dorthin verlegten Kranken. Angehörige wurden mit Todesbenachrichtigungen informiert, die neben einer fingierten Todesursache regelmäßig den Hinweis enthielten, wegen Seuchengefahr hätte der Leichnam sogleich eingeäschert werden müssen.


Die angestrebte Geheimhaltung der Aktion konnte jedoch nicht lange aufrechterhalten werden. Neben dem Bischof von Münster, Clemens August Graf von Galen, und dem Leiter der Hoffnungstaler Anstalten in Lobetal, Pastor Gerhard Braune, war es vor allem Theophil Wurm, der durch zahlreiche Eingaben die Mordmaschinerie aufzuhalten suchte.


Bereits am 6. Juli 1940 protestierte Wurm in einem Schreiben an Kirchenminister Kerrl erstmals gegen die Maßnahmen zur Lebensvernichtung (Schäfer, Landesbischof D. Wurm, S. 118). Ausführlich stellte er in einem Protestschreiben an Reichsinnenminister Frick am 19. Juli 1940 Argumente gegen das „Euthanasie“-Programm zusammen. Auch an Hans Heinrich Lammers, Chef der Reichskanzlei, und an den württembergischen Reichsstatthalter Wilhelm Murr wurde dieses Schreiben übersandt, das im Übrigen auch Papst Pius XII. bekannt wurde.


In weiteren Eingaben wandte sich Wurm am 5. September des gleichen Jahres erneut an Frick, am folgenden Tag an Lammers und am 29. September an Conti (vgl. ebd., S. 125, 126f., 127f.). Auch in Gesprächen mit Funktionsträgern des NS-Regimes drangen Wurm oder seine Mitarbeiter auf die Beendigung der Mordaktion. Verbündete sah Wurm auch bei der Wehrmacht, weshalb er ein Schreiben an den Befehlshaber des Wehrkreises V in Stuttgart richtete.


Setzte Wurm in der Regel auf direkten Widerspruch bei den Behörden, so forderte er am 27. Juli 1940 die Dekanatämter auf, die Pfarrer, bei denen Gemeindemitglieder ihren Unmut über die Ermordung kranker Angehöriger zum Ausdruck gebracht hatten, zu ersuchen, ihren Protest beim Reichsinnenministerium vorzubringen.


Als die „Aktion“ – zumindest offiziell – am 24. September 1941 gestoppt wurde, waren über 70.000 Patienten umgebracht worden. Da das Morden jedoch weiterging und auch Heime in den okkupierten Gebieten und Personen, die in Lagern inhaftiert waren, erfasste, ist mit mindestens 200.000 Toten im Rahmen der „Euthanasie“-Aktion zu rechnen.


Quelle / Titel


  • © Landeskirchliches Archiv Stuttgart, D1/103

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