Protest gegen das Novemberpogrom


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Theophil Wurm war durch den im deutschen Protestantismus allenthalben präsenten Antijudaismus geprägt; seit einer Studienreise im Jahr 1893, auf der er auch Adolf Stoecker in Berlin besucht hatte, teilte er dessen Ablehnung des modernen, emanzipierten Judentums. Wurm war überzeugt, dass diesem ein zu großer Einfluss in Deutschland zukam, und begrüßte daher Maßnahmen des Staates, das Judentum zu beschränken.


Allerdings war es für Wurm nicht hinnehmbar, dass Willkür, Gewalt und Gesetzlosigkeit das Vorgehen bestimmten. Daher unterstützte er als Einziger Wilhelm von Pechmann, der 1933 den Deutschen Evangelischen Kirchenausschuss aufgefordert hatte, bei der Reichsregierung gegen die Boykottmaßnahmen des 1. April zu protestieren. Allerdings blieb Wurm stumm, als 1935 die Juden zu Bürgern zweiter Klasse gemacht wurden.


Erst als 1938 die Synagogen brannten, wandte sich Wurm an Reichsjustizminister Franz Gürtner. In seinem Schreiben hob er auf seine von Jugend auf gegebene Überzeugung von der zersetzende[n] Wirkung des Judentums auf religiösem, sittlichem, literarischem, wirtschaftlichem und politischem Gebiet ab. Doch die Zerstörungen der Synagogen hätten weite Volkskreise bis in die Partei hinein seelisch erschüttert.


Wurm beklagte, dass unter den Augen der Behörden Dinge geschehen seien, die durch das Strafgesetzbuch mit schweren Strafen bedroht seien. Gerade angesichts der Erfolge des Nationalsozialismus sei ein solches Vorgehen – auch im Blick auf die Jugend – nicht tragbar. Wurm konfrontierte den Minister mit dem Anspruch der Bibel und forderte ihn auf, alles zu tun, was der Wiederherstellung der Autorität des Gesetzes und des Rechtsempfindens dienlich sei.


Wurm ging mit seiner Kritik nicht an die Öffentlichkeit; er beschränkte sich darauf, das Wächteramt der Kirche dadurch wahrzunehmen, dass er der von Gott eingesetzten Obrigkeit ins Gewissen redete. Er zeigte dabei Sympathie für die Maßnahmen zur Beschränkung des vorgeblich übermäßigen Einflusses des Judentums. Doch auch wenn die evangelische Kirche das staatliche Anliegen teile, so müsse doch entschlossen Widerspruch gegen die einem Rechtsstaat nicht gemäße Art des Vorgehens eingelegt werden.


Quelle / Titel


  • © Landeskirchliches Archiv Stuttgart, D1/78

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