Evangelische Pfarrer und Theologen im Abwehrverein


  • 1tes Bild zum Dokument
    Bildlupe

Mit dem Anwachsen der völkischen und nationalsozialistischen Bewegung in der Weimarer Republik nahm auch die Zahl der sich im Abwehrverein engagierenden evangelischen Theologen zu.


So setzten sich die Universitätstheologen Otto Baumgarten und Eduard König in Publikationen und Vorträgen mit den Antisemiten auseinander. Auch im Ausschuss des Gesamtvereins waren evangelische Pfarrer Mitglieder. Auf lokaler Ebene gründeten einzelne evangelische Pfarrer Ortsvereine und übernahmen zum Teil auch deren Vorsitz: so Hans Tribukait in Dortmund, Ernst Moering in Breslau und Eduard Lamparter in Stuttgart. Die meisten der Ortsgruppen in der Weimarer Zeit befanden sich in evangelisch geprägten Regionen.


Der überwiegende Teil der im Abwehrverein aktiven Theologen vertrat eine liberale Theologie und einen kulturprotestantischen Wertekosmos. Einzelne Pfarrer gehörten aber auch den Religiösen Sozialisten an wie z. B. Emil Felden. Sie bejahten die demokratische Weimarer Republik und waren vielfach politisch aktiv, zumeist in der Deutschen Demokratischen Partei. Auch hier war Emil Felden, der der SPD angehörte, eine Ausnahme. Vielen von ihnen engagierten sich ebenfalls für soziale Belange.


Die im Abwehrverein aktiven Geistlichen wollten die deutsche Nation vor dem kultur- und bildungsfeindlichen Antisemitismus schützen; sie waren nicht dazu bereit, das christliche Gebot der Nächstenliebe und die Werte der Aufklärung dem Volkstum zu opfern; sie hofften aber auf eine Assimilation der Juden an die protestantisch geprägte deutsche Kultur. Sie erkannten die heilsgeschichtliche Bedeutung der Juden für das Christentum an und verteidigten das Alte Testament gegen die völkische Theologie.


Auch wenn diese Positionen letztlich dazu führten, dass die Theologen im Abwehrverein ihre jüdischen Mitbürger gegen antisemitische Angriffe verteidigten, beinhalteten sie doch auch eine christliche, abwertende Sichtweise auf die ethnisch-religiöse Existenz des deutschen Judentums ihrer Gegenwart.


Die im Abwehrverein aktiven Theologen waren innerhalb ihrer Gemeinden und innerhalb der evangelischen Pfarrerschaft Einzelkämpfer. Die Mitarbeit in der „Judenschutztruppe“ kostete Mut und war wenig prestigeträchtig.


Im Jahr 1928 verschickte der Abwehrverein einen „Aufruf an die evangelischen Geistlichen“, den bekannte evangelische Universitätstheologen und Pfarrer verschiedener Richtungen unterzeichnet hatten. Darin wurden die evangelischen Pfarrer dazu aufgefordert, in ihren Predigten und ihrer Gemeindearbeit die Aechtung einer ‚Rasse’ oder eines religiösen Bekenntnisses für eine Versündigung an Christus zu geißeln. Sie vermissten eine klare Position der evangelischen Kirche gegenüber dem Antisemitismus.


Der Aufruf wurde der vom Abwehrverein herausgegebenen Schrift von Eduard Lamparter, „Evangelische Kirche und Judentum", als Geleitwort beigegeben. Bis 1930 wurden 70.000 Exemplare der Broschüre verteilt. Nach Angaben Lamparters stieß die Broschüre jedoch unter den evangelischen Geistlichen größtenteils auf Ablehnung.


Quelle / Titel


  • © Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte, München

Verwandte Inhalte