Die „Religiösen Sozialisten“


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Die „Religiösen Sozialisten“ verstanden sich als überkonfessionelle und überkirchliche Gruppe. Faktisch bestanden sie aber überwiegend aus evangelischen Christen. Sie bejahten die Weimarer Republik, forderten aber ihre sozialistische Weiterentwicklung. Einig war man sich in der Ablehnung der kapitalistischen Wirtschaftsordnung sowie des Militarismus.


Theologisch bemühten sie sich, Gott und Geschichte, das Reich Gottes und die sozialistische Zukunftsvision neu zueinander ins Verhältnis zu setzen. Politisch neigten sie zur SPD, einzelne auch zur KPD, was im Falle des badischen Pfarrers und entschiedenen NS-Gegners Erwin Eckert 1931 zu dessen Entlassung aus dem Dienst führte. Zu den bedeutendsten Köpfen der in sich heterogenen Gruppierung zählten der Frankfurter Theologe und Religionsphilosoph Paul Tillich und der Hamburger Nationalökonom Eduard Heimann.


Die Religiösen Sozialisten wandten sich seit den 1920er-Jahre mit politischen und theologischen Argumenten gegen den Nationalsozialismus. Schon im Dezember 1924 hieß es im Mitteilungsblatt des Bundes der Religiösen Sozialisten Deutschlands, Berlin: Hakenkreuz und Wotankult sind Feinde des Christentums.


Im August 1930 wurde auf dem fünften Kongress des „Bundes der Religiösen Sozialisten Deutschlands“ in Stuttgart eine „Erklärung gegen den Faschismus“ verabschiedet.


In den „Neuen Blättern für den Sozialismus“, einer Zeitschrift des Tillich-Kreises, begann 1931 eine Diskussion über den Nationalsozialismus. Im April schrieb der Tillich-Schüler Walther Hunzinger: Es ist die Schicksalsfrage an die protestantische Kirche, ob sie das Nein gegen eine Vergöttlichung des Menschen ebenso leidenschaftlich wie gegen den Kommunismus auch gegen den Nationalsozialismus sagt, oder ob sie dem Nationalsozialismus gegenüber schwach genug ist, in völliger Verkennung der wirklichen Lage in ihm ein neues Erwachsen protestantischen Geistes zu erwarten.


Zum Abschluss erklärte er in einer Art von Vorwegnahme der Barmer Theologischen Erklärung (Scholder): Ihre Existenz als protestantische Kirche wenigstens wird davon abhängen, ob sie hier wie dort in kompromißloser Entschiedenheit – und wenn sie darum einsame Kirche werden müßte – das Wort sagt, das ihr aufgetragen ist, das Wort von dem Gott, dem allein Ehre gebührt.


Erwin Eckert unternahm es, in einem gedruckten Vortrag Anfang 1931 eine weltanschauliche Auseinandersetzung mit den Anhängern des Hakenkreuzes, das im Widerspruch steht mit dem Kreuze Christi zu führen, und beklagte, dass dies vonseiten der evangelischen Kirchenleitungen nicht geschehe.


Im Kirchenwahlkampf 1932 warnten die religiösen Sozialisten dezidiert vor dem Evangelium des Rassenhochmuts, der brutalen Vergewaltigung jeder anderen Meinung, der Verherrlichung des Kriegsgeistes und der militärischen Aufrüstung.


Bei den Kirchenwahlen erreichten die Religiösen Sozialisten maximal 130.000 Wähler (1931/32). Damit nahmen sie in ihrer Kirche eine letztlich wirkungslose Außenseiterrolle ein. Folglich verhallte auch ihre Kritik am Nationalsozialismus weitgehend ungehört. Viele Protestanten empfanden die Argumentation der Religiösen Sozialisten als politisch-ideologisch und verwiesen auf die Situation der Kirchen in der Sowjetunion.


Aus dem Kreis um Tillich und Heimann stammte mit Carlo Mierendorff, Adolf Reichwein u.a. eine verhältnismäßig große Zahl an aktiven Widerstandskämpfern gegen Hitler.


Quelle / Titel


  • © Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn

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