Niemöller gründet den „Pfarrernotbund“


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Als die Deutschen Christen im September 1933 daran gingen, nach der Wahl Ludwig Müllers zum ersten deutschen Reichsbischof noch im gleichen Monat in der größten evangelischen Kirche in Preußen den „Arierparagraphen“ einzuführen, formierte sich weiterer Widerstand, der die entstehende kirchliche Opposition stärkte. Nur allzu deutlich wurde in diesem Vorgehen das Ziel der Deutschen Christen erkennbar, eine von der nationalsozialistischen Ideologie geprägte Reichskirche zu formen, in der Christen jüdischer Herkunft keinen Platz mehr haben sollten.


In dieser Situation rief Pfarrer Martin Niemöller die Gründung des „Pfarrernotbundes“ aus. Von seiner Pfarrstelle in Berlin-Dahlem aus versandte er an seine pastoralen Kollegen in der evangelischen Kirche eine Verpflichtungserklärung. Darin brachten die Unterzeichner verbindlich zum Ausdruck, sich in ihrer Amtsführung allein an der Bibel und den reformatorischen Bekenntnisschriften auszurichten. Ferner verpflichtete man sich, gegen eine etwaige Verletzung solchen Bekenntnisstandes, wie sie offenkundig mit der Anwendung des „Arierparagraphen“ gegeben war, rückhaltlos zu protestieren.


Das Echo auf das Schreiben Niemöllers war außerordentlich stark. In den folgenden vier Monaten wurden etwa 7.000 evangelische Pfarrer – das war mehr als ein Drittel der gesamten evangelischen Pfarrerschaft – durch ihre Unterschrift Mitglied im Pfarrernotbund.


Im Kern ging es um einen Akt christlicher Solidarität mit etwa 30 bis 50 vom kirchlichen „Arierparagraphen“ betroffenen Pfarrern jüdischer Herkunft, die durch den Pfarrernotbund in Form von ideeller und materieller Hilfe geübt wurde. Gleichwohl agierte der Pfarrernotbund aus einer kirchlichen Binnenperspektive. Der staatliche „Arierparagraph“ blieb ebenso wie die antijüdische Politik des NS-Staates außerhalb des Handlungshorizontes vom Pfarrernotbund. Ein in der evangelischen Pfarrerschaft weit verbreiteter kirchlicher Antijudaismus sowie theologische Erwägungen im Sinne einer prinzipiellen Trennung von Staat und Kirche ließen die staatlichen Diskriminierungen der Juden unangetastet.


Die kirchliche Gesetzgebung mit ihrem „Arierparagraphen“ indes wurde als Reaktion auf eine Initiative Niemöllers mit einer veränderten Gesetzgebung vom 8. Dezember 1933 außer Kraft gesetzt. Reichsinnenminister Frick hatte das Gesetz in Anerkennung der Proteste des Pfarrernotbundes gebilligt, Hitler selbst hatte Anfang Dezember verfügt, dass staatliche Stellen in den innerkirchlichen Konflikt nicht eingreifen sollten. Noch war dem NS-Staat ausdrücklich an einer einheitlich verfassten evangelischen Kirche gelegen.


Indes attackierten Teile der Deutschen Christen im November das Engagement des Pfarrernotbundes, das sie als staatsfeindliches Verhalten brandmarkten. Einzelne Teilkirchen der DEK übernahmen den „Arierparagraphen“ und es kam ungeachtet der Initiative des Notbundes zur Entlassung von Pfarrern jüdischer Abstammung. Dennoch: Der Pfarrernotbund hatte ein markantes Zeichen christlicher Solidarität gesetzt. Seine weitere Entwicklung führte im Frühjahr 1934 zur Entstehung der „Bekennenden Kirche“.


Quelle / Titel


  • ©Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte, A 1.5

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