Entlassung auf staatlichen Druck


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Von Herbst 1935 bis Frühjahr 1936 kämpfte Werner Sylten um seine berufliche Existenz und bemühte sich um eine Pfarrstelle außerhalb Thüringens. Dafür in Frage kamen die Landeskirchen von Hannover, Bayern und Württemberg, die wie Sylten zur Bekennenden Kirche gehörten. Bei seinem geplanten Stellenwechsel erhielt er Unterstützung vom Leiter der Lutherischen Bekenntnisgemeinschaft in Thüringen, Pfarrer Ernst Otto. Wohl mit dem Einverständnis Syltens sah sich Otto allerdings verpflichtet, dessen bisher unbekannte Abstammung von einem jüdischen Vater offenzulegen.


Nach den Nürnberger Gesetzen vom September 1935 galt Werner Sylten als „Halbjude“. Daran scheiterten letztlich alle Versuche, ihn in einer anderen Landeskirche unterzubringen. Hannover, Bayern und Württemberg signalisierten zwar ihren guten Willen, sahen sich aber nicht in der Lage, Sylten in ihren Dienst zu übernehmen. So teilte der bayerische Landeskirchenrat mit, angesichts der Tatsache, daß Herr Pfarrer Sylten Halbarier ist, ist uns leider die Übernahme unmöglich. Nicht als ob wir darin von unserer Seite ein Hindernis sähen. Aber bei der Übernahme außerbayrischer Geistlicher müssen wir auch die Zustimmung der Staatsregierung haben. Daher ist es uns zu unserem Bedauern nicht möglich, Ihrem Wunsche nachzukommen. Ähnlich argumentierten auch Hannover und Württemberg.


Zugleich wurde die Lage in Thüringen für Sylten immer bedrohlicher. Er erhielt zwar Hilfe vom Direktor des Evangelischen Reichserziehungsverbandes Alfred Fritz; dessen Einsatz konnte aber auch nicht verhindern, dass Sylten von seiner Stelle als Leiter des Thüringer Mädchenheims abgesetzt wurde und in der Thüringer Landeskirche auch keine andere Stelle mehr erhielt. Ohne Rechtsgrundlage wurde er am 1. April 1936 vom Thüringer Innenminister wegen seiner ablehnenden Einstellung gegen den nationalsozialistischen Staat mit sofortiger Wirkung von der Leitung des Thüringer Mädchenheims beurlaubt.


Ende April 1936 entdeckte der Thüringer Landesführer der Inneren Mission Gerhard Phieler die Abstammung Syltens von einem jüdischen Vater. Die deutschchristliche Kirchenleitung vereitelte daraufhin seine Berufung auf eine andere Thüringer Pfarrstelle und versetzte ihn in den Wartestand. Syltens Proteste und eine Solidaritätsaktion von 15 Mitarbeiterinnen des Mädchenheims änderten nichts mehr an seiner Entlassung. Sylten musste Bad Köstritz verlassen und sich von seinen Söhnen Reinhard und Walter trennen. Obwohl die Thüringer Kirchenleitung damit ihr Ziel erreicht hatte, versuchte sie auch 1938 noch, ihm zu schaden, und denunzierte Sylten beim Wehrbezirkskommando in Gotha als „Nichtarier“.


Quelle / Titel


  • © Landeskirchliches Archiv Nürnberg, LKR 1577

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