Die Zeitschrift „Junge Kirche“


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Dem kirchlichen Zeitungs- und Zeitschriftenwesen kam in der NS-Zeit für die oppositionelle Bekennende Kirche eine große Bedeutung zu. Auf die „gleichgeschaltete“ weltliche Presse konnte man hier nicht zählen, denn diese berichtete zunächst ganz im Sinne der Deutschen Christen. Doch schon bald wurden Berichte über den kircheninternen evangelischen Lagerkampf von den weltlichen, NS-gesteuerten Medien gänzlich unterdrückt. Für die Kommunikation und den Informationsaustausch innerhalb der kirchlichen Opposition spielten daher die kircheneigenen Zeitschriftenorgane eine entscheidende Rolle.


Von hervorgehobener Bedeutung war die Zeitschrift „Junge Kirche“. Sie war erst 1933 aus der Jungreformatorischen Bewegung heraus gegründet worden und erschien seit Herbst 1933 als „Halbmonatsschrift für reformatorisches Christentum“. Das Blatt war mit einer doppelten Absicht gegründet worden: Einerseits wollte es ein Meinungsforum innerhalb der Bekennenden Kirche sein. Ein weites Autorenspektrum der sich profilierenden kirchlichen Opposition kam hier zu Wort. Zugleich enthielt es einen ausführlichen Informationsteil über das gesamte kirchliche Leben in Deutschland, der den Lesern eine Orientierung in den kirchenpolitischen Wirren jener Jahre vermitteln konnte.


Der Herausgeber Hanns Lilje und die Schriftleitung waren in Berlin ansässig, verlegt wurde die Zeitschrift vom Göttinger Wissenschaftsverlag Vandenhoeck & Ruprecht. Die Zeitschrift traf das Informationsbedürfnis jener Zeit. 1934 stieg die Zahl ihrer Direktbezieher auf über 30.000 an. Der Vertrieb über den Buchhandel entfiel, da sich wegen zu erwartender staatlicher Repressalien niemand zur Verbreitung der pressepolitisch unerwünschten Zeitschrift bereitfand.


Die kirchliche Pressearbeit unterlag strengsten Zensurbestimmungen. Insbesondere der „Frick-Erlass“ aus dem Reichsinnenministerium vom November 1934 traf die evangelische Presse hart. Er verbot schlichtweg alle Veröffentlichungen, die sich mit der evangelischen Kirche befassten, ausgenommen waren amtliche Kundgebungen der Reichskirchenregierung.


Für die Redaktion der „Jungen Kirche“ machte das, wollte man in der bis dahin erprobten Weise tätig sein, die Anwendung ausgeklügelter, bisweilen halblegaler Umgehungsstrategien erforderlich. Um den Verlag im Fall eines staatlichen Zugriffs nicht zu gefährden, hatte man bereits 1933 zu diesem Zweck einen „Verlag Junge Kirche“ gegründet, der faktisch in Bürogemeinschaft mit dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht aufs Engste vernetzt war.


Insbesondere war der strategisch wichtige Nachrichtenteil vom „Frick-Erlass“ betroffen. Zu dessen Umgehung entwickelte die Redaktion ein spezielles Zitationssystem: Gesetze, Erlasse, Mitteilungen, Verbote, Redeausschnitte, Stellungnahmen der Bekennenden Kirche wurden jetzt nicht mehr als Originalnachricht, sondern als Zitat aus amtlichen Verordnungsblättern, aus der NS-Presse oder den deutsch-christlichen Organen unter genauer Quellenangabe wiedergegeben. Gegen diesen „Pressespiegel“, der die Leser der „Jungen Kirche“ über die aktuelle kirchliche Lage unterrichtete, ließ sich von amtlicher Seite nur schwer zensorisch vorgehen.


Um den Zensurbehörden wenig Angriffspunkte zu bieten, verlegte man sich im Redaktionskreis schon früh darauf, brisante Themen nach Möglichkeit in einer theologischen Fachsprache zu behandeln, die für Außenstehende zunächst einmal einen harmlosen Anschein erweckte. Der Telefonüberwachung bei der Kommunikation zwischen der Berliner Schriftleitung und dem Göttinger Verlag entging man durch eine eigens verschlüsselte Sprache.


Gelegentlich warnte ein „Maulwurf“ des Verlags im hannoverschen Gestapo-Hauptquartier die Verlagsleitung mit dem anonymen Telefonhinweis Falkenauge kommt, bevor der Zugriff der Zensurbehörde erfolgte. Der kirchlichen Presse und insbesondere der „Jungen Kirche“ kam auf diese Weise eine bedeutende Rolle bei der Herausbildung der kirchlichen Opposition zu. Im Fokus stand die Bewahrung der politischen Unabhängigkeit der evangelischen Kirche, zu einem Organ politischer Opposition hat sich das Blatt nach eigenem Selbstverständnis nicht entwickeln wollen.


Der Anpassungsdruck nahm für die Redaktion der „Jungen Kirche“ insbesondere nach der kirchenpolitischen Wende der NS-Regierung seit 1935 permanent zu. Die Gratwanderung zwischen Anpassung und Selbstbehauptung verengte sich immer mehr. Seit 1938 waren die staatlichen Reglementierungen so einschneidend, dass der noch verbliebenen unabhängigen Kirchenpresse kein Spielraum mehr für eigene Berichterstattungen blieb. Im Sommer 1941 erfolgte schließlich die von der Reichspressekammer kriegsbedingt verordnete Einstellung der gesamten religiös motivierten Zeitschriftenpresse.


Quelle / Titel


  • ©Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte, München

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