Ökumene: Zwischen „Einmischung“ und Kooperation


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Die „ökumenische Bewegung“ ist eine Sammlungsbewegung orthodoxer (Ostkirche) und im weiteren Sinne protestantischer Kirchen (Staats-, Landes- und Freikirchen) zum Aufbau zwischenkirchlicher Beziehungen und Strukturen, die – ohne Beteiligung der römisch-katholischen Kirche – im August 1948 in Amsterdam zur Gründung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK, Weltkirchenrat) führte.


In den 1930er Jahren wurde die ökumenische Bewegung in die Auseinandersetzungen von Staat und Deutscher Evangelischer Kirche (DEK) einerseits und die Flügelkämpfe der Bekennenden Kirche andererseits hineingezogen.


Zufällig wurden internationale Vertreter der ökumenischen Bewegung Zeuge der „Machtergreifung“ Hitlers: Am 30. Januar 1933 trat auf Einladung des Präsidenten des Deutschen Evangelischen Kirchenausschusses, Hermann Kapler, der Exekutivausschuss des Weltbundes für internationale Freundschaftsarbeit der Kirche in Berlin zusammen; am 3. und 4. Februar tagte der Verwaltungsausschuss des Ökumenischen Rates für Praktisches Christentum. Die Beratungen beider Gremien vollzogen sich also inmitten der inszenierten Aufmärsche, Beflaggungen und Pressekampagnen. Daher dürfte wohl kaum einem der internationalen Gäste der politische Umschwung in Deutschland verborgen geblieben sein.


Zum Problem für das NS-Regime wurden vor allem die Auslandsbeziehungen des „Pfarrernotbundes“, da man eine unkontrollierte Verbreitung von Informationen über staatliche Eingriffe in die Kirche befürchtete. Zum Verständnis des nationalsozialistischen Staates mit seinem totalitären Machtanspruch gehörte selbstverständlich, dass auch kirchliche Kontakte gerade ins Ausland immer der staatlichen Kontrolle und Lenkung unterworfen waren.


Der Durchsetzung dieser Interessen diente nach Absprachen zwischen Hitler und Reichsbischof Ludwig Müller die Errichtung eines „Kirchlichen Außenamtes“ (Februar 1934) unter Leitung des Oberkonsistorialrats (mit Bischofstitel) Theodor Heckel. Ausländischen Kirchen wurde daraufhin mitgeteilt, dass das Kirchliche Außenamt fortan als alleinige Kontaktstelle aller kirchlichen Auslandsbeziehungen anzusehen war.


Mit dieser Maßnahme wurden die ökumenischen (Auslands-)Beziehungen zum Problem der ökumenischen Bewegung. Letztere war zwangsläufig genötigt, Partei zu ergreifen: Sollte man weiterhin Kontakte zur DEK unterhalten, auch wenn diese von den Deutschen Christen geführt wurde? Oder sollte man – trotz der Maßgabe, sich nicht in die inneren Verhältnisse einer Kirche einzumischen – die Kontakte zur Bekennenden Kirche pflegen und vertiefen, deren theologischen und ethischen Zielen man sich verbunden wusste?


Zum Problem wurde die Neuregelung der ökumenischen Kontakte insbesondere aber für die Bekennende Kirche selbst. Einerseits forderte zum Beispiel der Schweizer Theologe Karl Barth, alle ökumenischen Kontakte zur Reichskirche abzubrechen, um der Bekennenden Kirche nicht in den Rücken zu fallen. Andererseits bestand bei Vertretern der Bekennenden Kirche der Wunsch, offizielle Kontakte ins Ausland weiterzuführen, notgedrungen auch in gewisser Kooperation mit staatlichen Stellen (Auswärtiges Amt). 1934 schien das zumindest noch möglich gewesen zu sein.


Das Problem verschärfte sich durch die Spaltung der Bekennenden Kirche, die an der Frage der Zusammenarbeit mit dem sogenannten „Reichskirchenausschuss“ zerbrach. Jede Gruppe versuchte – die eine auf offiziellen Wegen, die andere auf der Basis persönlicher Verbindungen –, ökumenische Gremien auf den Weg der eigenen Überzeugung zu führen.


In der ersten Hälfte der 1930er Jahre hatte die ökumenische Bewegung noch nicht das Format, dass sie mit einer Stimme hätte sprechen können. Daher war man zunächst geneigt, den offiziellen Weg einzuhalten und die Kontakte zur evangelischen Kirche über den Reichskirchenausschuss laufen zu lassen.


Dies hatte selbstverständlich Folgen: So war jeder Besuch im Ausland von der Erteilung eines Visums abhängig, wodurch „radikale“ Vertreter der Bekennenden Kirche von vorneherein ausgeschlossen werden konnten. Zudem nutzte der „Auslandsbischof“ Heckel die ökumenischen Kontakte, um die Berichte über Verhaftungen, Folter sowie die antijüdischen Gesetze zu verharmlosen, die in der Ökumene Bestürzung ausgelöst hatten.


Demgegenüber hat vor allem der junge Dietrich Bonhoeffer darauf bestanden, die Frage des Nationalsozialismus nicht (nur) als ethische, sondern als durch und durch theologische Frage zu verstehen und Nationalsozialismus und Christentum als grundsätzlich einander ausschließend zu begreifen.


In einem Brief an Bischof Ove Valdemar Ammundsen schrieb Bonhoeffer am 8. August 1934: Es muß, gerade auch in unsrer Stellung zum Staat, hier ganz ehrlich geredet werden, um Jesu Christi und der ökumenischen Sache willen. Es muß klar werden – so furchtbar es ist –, daß die Entscheidung vor der Tür steht: Nationalsozialist oder Christ (Goedeking, Bonhoeffer, 178).Es ist Bonhoeffer jedoch nicht gelungen, die ökumenische Bewegung auf den konsequenten Kurs der „Zweiten Vorläufigen Kirchenleitung“ und ihrer klaren Ablehnung des NS-Regimes festzulegen.


Quelle / Titel


  • © Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz/Rotraut Forberg, Bildnummer 10006494 (Fotograf/Agentur: R. Forberg)

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