Friedrich-Wilhelm Krummacher


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    Friedrich-Wilhelm Krummacher, o.D.
    ©Landeskirchliches Archiv Greifswald
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    Broschüre aus dem Jahr 1934
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    Publikation aus dem Jahr 1965

Der Pfarrer und spätere Greifswalder Bischof Friedrich-Wilhelm Krummacher trat am 1. Mai 1933 unter dem Eindruck der „nationalen Erhebung“ in die NSDAP ein. Im gleichen Jahr wurde er in das Kirchenbundesamt in Berlin berufen. Von 1934 an wirkte er als theologischer Referent im Kirchlichen Außenamt der Deutschen Evangelischen Kirche.


Dort war er als Oberkirchenrat und später Oberkonsistorialrat für die ökumenischen Beziehungen, die Verbindung zu den „volksdeutschen evangelischen Kirchen in Ost- und Südosteuropa“ sowie die Betreuung der „auslandsdeutschen evangelischen Kirchengemeinden in den Großstädten Europas und Osteuropas“ verantwortlich.


In seiner 1934 erschienenen Broschüre in der Schriftenreihe der Deutschen Akademie in München „Die evangelische Kirche im neuen Reich“ schrieb er: Der heutige Staat bedarf des Dienstes der Kirche, auch zur Überwindung seiner Feinde, Gottlosigkeit, Bolschewismus und Marxismus (S. 34).


Ende August 1939 wurde Krummacher als Kriegspfarrer zur Wehrmacht einberufen. 1940 brachte er eine Sammlung von elf Kriegspredigten heraus, in denen er den Krieg als Abwehrkampf um Leben, Freiheit und Zukunft unseres Volkes deutete (S. 54).


Am 9. November 1943 geriet Krummacher in sowjetische Gefangenschaft. Im Auffanglager Babi Jar, einem ehemaligen deutschen KZ bei Kiew, erlebte er die Öffnung von Massengräbern mit erschossenen, überwiegend jüdischen Zivilisten. Dieses Erlebnis sowie der Marsch durch die zerstörte Ukraine und die humane Behandlung durch russische Offiziere lösten bei ihm, nach eigenen Aussagen, ein Umdenken aus.


Noch in Kiew schrieb er zusammen mit anderen Gefangenen ein Flugblatt, in dem er sich an seine Division wandte. Nach Verhörgesprächen, Bibellektüre und intensivem Nachdenken schrieb er am 18. Januar 1944 für die sowjetische Militärbehörde eigenhändige Aussagen nieder, in denen er seine Erschütterung über den Vernichtungsfeldzug gegen Wehrlose und Unschuldige aussprach und über den ausgebliebenen deutschen und christlichen Protest reflektierte.


Im Gefangenenlager Krasnogorsk schloss sich Krummacher dem BDO und NKFD an und wurde zum Gründungsmitglied des Arbeitskreises für kirchliche Fragen. In Rundfunkansprachen und -predigten sowie in Artikeln für das „Freie Deutschland“ formulierte er seine neuen theologischen und politischen Einsichten.


Im Juni 1944 verfasste er drei Berichte, die den Planungen zur Neugestaltung Deutschlands nach dem Krieg dienen sollten: „Organisation der Deutschen Evangelischen Kirche, Staat und Kirche, Zukunftsaufgaben“, „Kirchliche Persönlichkeiten in der Deutschen Evangelischen Kirche“, „Volksdeutsche evangelische Kirchenführer“.


In der ersten Schrift äußerte Krummacher die Hoffnung auf eine freie Ausübung des kirchlichen Auftrags. Er plädierte für einen aktiven Beitrag der Kirche für die Neugestaltung des sittlichen und kulturellen Lebens in Deutschland und bei der Vertrauensbildung gegenüber der Roten Armee im Zuge der Besetzung deutscher Gebiete.


Im August 1945 wurde Krummacher entlassen und mit einer ausgewählten Gruppe aus Emigranten und Kriegsgefangenen nach Berlin geflogen. Erich Weinert, der Präsident des NKFD, hatte ihn als vorurteilslosen Antifaschisten charakterisiert und ihn für eine der höchsten geistlichen Funktionen geeignet erklärt (Bräuer, S. 445).


Im Kontext des 20. Jahrestages des 8. Mai 1945 versuchte Walter Ulbricht, Krummachers einstige Mitarbeit im NKFD propagandistisch für die SED-Kirchenpolitik zu nutzen. Krummacher, inzwischen Vorsitzender der Konferenz der Kirchenleitungen in der DDR, konnte dazu überredet werden, einige Beiträge aus seiner Mitarbeit beim NKFD unter dem Titel „Ruf zur Entscheidung“ zu publizieren.