Zur Auslegung „Du sollst nicht töten“


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Entsprechend dem zentralen Verhandlungsgegenstand ist unter den Beschlüssen der Synode die Handreichung an die Pfarrer und Ältesten zum fünften Gebot „Du sollst nicht töten“ am bedeutsamsten. Die Beratungen darüber begannen um 21 Uhr. Wilhelm Niesel, einer der Beteiligten, brachte zum Ausdruck, dass mit diesem Text Pflöcke eingerammt wurden für den allein möglichen Weg, den Regierende und Regierte beschreiten durften, wenn sie nicht zuschanden kommen wollten. [Niesel, Kirche, 275]


Die Synode wollte mit ihrem Wort zu einer Schärfung der Gewissen beitragen, um der Abstumpfung, die durch die Kriegsereignisse stattfand, entgegenzuwirken. Eindrucksvoll wird herausgestellt, wie weit der Begriff des Tötens gefasst werden kann. Dazu gehört vor allem auch das indirekte Töten, eine klare Anspielung auf die brutalen Verfolgungen und Diskriminierungen der NS-Gewaltherrschaft.


Der Textauszug gibt Einblick in die Entwicklung von Punkt 8 der Erklärung. Die verabschiedete Fassung, in der die handschriftlichen Änderungen eingeflossen sind, lautet:


Der Umfang, den das Töten im Kriege annimmt, könnte uns leicht stumpf machen gegenüber der Tatsache, daß Gott das Töten untersagt. Das fünfte Gebot gilt immer. Ein christliches Gewissen kann es nicht überhören. Nie wird ein Christ Freude an Blutvergießen haben. Er wird es verabscheuen, Völker in den Krieg zu treiben. Die schrecklichen Begleiterscheinungen stehen ihm lebendig vor Augen. Zum Töten gehört auch die indirekte Art des Tötens, die dem Nächsten den Raum zum Leben nimmt, so daß er nicht mehr lange leben kann, oder die es unterläßt, ihn aus Todesnot zu retten. Wider Gottes Willen tötet auch, wer keimendes Leben vernichtet. Zum Töten gehört die geistige Verletzung des Nächsten mit Wort und Spott, gehört jegliche Verunglimpfung des Nächsten und Herabsetzung seiner Person. Zum Töten gehört die Hinterziehung von Lebensmitteln und Kleidung, gehört die Verdrängung des Nächsten aus seiner Lebensstellung, gehört Schadenfreude, Haß und Rachedurst. Gott aber will, daß wir das Leben des Nächsten hoch achten. Um Gottes willen gilt es sehr viel, auch wenn es vor Menschen wenig gelten mag. [Hermle, Thierfelder, Herausgefordert, 665]


Quelle / Titel


  • © Evangelisches Zentralarchiv in Berlin, Best. 50 Nr. 616

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