Pfarrer in Safenwil (Schweiz)


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Nach zwei Jahren als Hilfsprediger in Genf bekam Barth 1911 eine eigene Pfarrstelle im aargauischen Dorf Safenwil. Die kleine Gemeinde befand sich in einer Phase sozialer Umbrüche: Während es immer weniger Bauern gab, wuchsen Industrie und Arbeiterstand. Barth stellte in diesem Rahmen seine Beschäftigung mit der Theologie zugunsten einer sehr sorgfältige[n] Vorbereitung von Predigt und Unterricht zurück.


Beides nahm ihn oft voll in Anspruch. Vor allem die Predigten muteten der Gemeinde viel zu – nicht weil er sie als theologische Fachtexte hielt, sondern gerade wegen ihres klaren und direkten Anspruchs, die Existenz jedes einzelnen Hörenden mit Gottes Wort zu konfrontieren. Das sozialkritische Potenzial, das sich daraus ergab, führte bald dazu, dass man den unbequemen Prediger mied. So war der Gottesdienstbesuch oft dürftig und auch sonst machte sich Barth im Gemeindealltag nicht gerade beliebt.


Genau hiervon handelte die Predigt, die Barth 1916 über einen Abschnitt des Propheten Hesekiel gehalten hatte. Wir zeigen den Ausschnitt mit dem Beginn der Predigt, die noch im selben Jahr in der „Christlichen Welt“ erschien – ohne Wissen des Verfassers.


Barth greift seine Unbeliebtheit als Prediger auf und stellt sie dem biblischen Gegenmodell vom „falschen Propheten“ gegenüber, der seine Hörer schonen will: Der falsche Prophet ist der Pfarrer, der es den Leuten recht macht. Das wolle er, Barth, in Safenwil zwar oft gern tun. Aber Gott stellt sich mir in den Weg, und es geht nicht.


Damit spiegelt die Predigt in typischer Weise den tief greifenden Wandel in Barths Theologie, der sich in dieser Zeit vollzieht: Gottes Anspruch auf die Existenz des einzelnen Menschen ist so absolut, dass er keinen Raum für die Bequemlichkeit einer Sonntagsreligion offen lässt. Es kann nur Ablehnung oder Annahme dieses Anspruchs geben, aber keinen Mittelweg.


Die Zeit in Safenwil markiert den Beginn von Barths „Dialektischer Theologie“ (wie sie später genannt wird). Vom selben Jahr 1916 an arbeitete Barth im Pfarrhaus an jenem Buch, das geradezu ihr Gründungsmanifest wurde: „Der Römerbrief.“


Quelle / Titel


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