Widerspruch kirchlicher Gruppen


  • 1tes Bild zum Dokument
    Bildlupe

Zwei kirchliche Gruppen formulierten 1943 ihren theologisch begründeten Widerspruch gegen den Mord an den Juden und die Tötung von psychisch Kranken und Behinderten.


Zu Ostern 1943 überbrachten zwei Mitglieder eines in München um den Verleger Albert Lempp versammelten Kreises dem bayerischen Landesbischof Hans Meiser den Münchner Laienbrief.


Dieser sollte den Bischof zu einem öffentlichen Protest gegen die Judenverfolgung bewegen. Der Verfasser des Briefes, der württembergische Pfarrer der Bekennenden Kirche Hermann Diem, argumentierte, die Kirche habe zu bezeugen, daß die Judenfrage primär eine evangelische und keine politische Frage ist. Das politisch irreguläre Dasein und Sosein der Juden hat nach der Heiligen Schrift seinen alleinigen Grund darin, daß dieses Volk von Gott als Werkzeug seiner Offenbarung in Beschlag genommen ist (Hermle/Thierfelder, Herausgefordert, 660). Jedem Antisemitismus, vor allem jedem christlichen Antisemitismus habe die Kirche zu widerstehen.


Landesbischof Meiser sah sich allerdings nicht in der Lage, einen öffentlichen Protest der Kirche zu verantworten. Er befürchtete schwere Nachteile für seine Landeskirche. Meiser gab den Text an den württembergischen Landesbischof Theophil Wurm weiter. Wurm blieb nicht tatenlos und wandte sich im Juli 1943 mit einem eindringlichen Schreiben direkt an Hitler. Sein Schreiben blieb ohne Antwort.


Die Bekennende Kirche der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union traf sich im Oktober 1943 zu ihrer 12. Bekenntnissynode. Es sollte ihre letzte sein. Neben Entschließungen gegen die fortdauernden Einschüchterungen und Versuche der Machthaber, die Kirche in der Ausübung ihrer religiösen Aufgabe zu behindern, verabschiedete die Synode auch eine Auslegung des fünften Gebots. Mit veranlasst haben dürfte die Beschäftigung der Synode mit dieser Frage wohl auch Kurt Gerstein, der den Bruderrat im Sommer 1942 über die Ermordung der Juden im Osten informiert hatte.


Die Synode verurteilte in ihrer Entschließung die NS-Verbrechen mit folgenden Worten: Vernichtung von Menschen, lediglich weil sie Angehörige eines Verbrechers, alt oder geisteskrank sind oder einer anderen Rasse angehören, ist keine Führung des Schwertes, das der Obrigkeit von Gott gegeben ist. Für den Christen sei jeder Notleidende, unabhängig von Rasse-, Volks- oder Religionszugehörigkeit, der Nächste.


Allerdings fand die Entschließung keine weitere Verbreitung mehr. Allenfalls zum Buß- und Bettag 1943 mag das Wort von manchen Kanzeln verlesen worden sein: Wehe uns und unserem Volk, wenn das von Gott gegebene Leben für gering geachtet und der Mensch, nach dem Ebenbilde Gottes erschaffen, nur nach seinem Nutzen bewertet wird; wenn es für berechtigt gilt, Menschen zu töten, weil sie für lebensunwert gelten oder einer anderen Rasse angehören, wenn Haß und Unbarmherzigkeit sich breit machen. Denn Gott spricht: ‚Du sollst nicht töten.‘ (KJ 1933–1944, S. 387).


Verwandte Inhalte