Der „Totale Krieg“


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Der Krieg schlug auf seine Urheber zurück. Goebbels rief am 18. Februar 1943 im Berliner Sportpalast, als sich die militärische Katastrophe von Stalingrad nicht mehr vertuschen ließ, den „Totalen Krieg“ aus. Die Reaktion auf diesen Aufruf dokumentierte eine vom SD erstellte Zusammenfassung:


Ein in weiten Kreisen der Bevölkerung immer wieder lebhaft erörtertes Thema ist die Frage des totalen Krieges. Seit den militärischen Krisen der letzten Monate bis in die jüngste Zeit hinein sind die Stimmen im Wachsen begriffen, die einer angeblich mangelhaften Durchführung des totalen Krieges die Schuld an der gespannten Lage im Osten und an den Klagen vieler Urlauber über Mangel an Waffen und Munition beimessen.


Vielfach zeigen sich die Volksgenossen in Anbetracht verschiedener nach ihrer Ansicht ,nur halb durchgeführter Maßnahmen‘ verärgert und sehen in dieser Halbheit ein Übel von grundlegender Bedeutung, das ihnen die Hoffnung auf einen günstigen Ausgang des Krieges stark beeinträchtige. …


Nach der Meinung des Volkes muß ein totaler Kriegseinsatz zum Gegenstand haben:


1. Die größtmöglichste Steigerung der Rüstungskapazität,


2. Die laufende Auffüllung und Verstärkung der kämpfenden Truppe mit Wehrfähigen,


3. Den Schutz der Heimat vor Luftangriffen,


4. Die Sicherstellung der Ernährung und Versorgung der Bevölkerung mit den lebensnotwendigen Bedarfsgütern.


Daneben dürfe es keine anderen Arbeiten und Aufgaben geben, weil sie nur das auf totalen Krieg eingerichtete Kräftepotential schwächen würden. So seien die Ausführungen von Reichsminister Dr. Goebbels im Sportpalast zu Beginn dieses Jahres verstanden und begrüßt worden (zit. nach: Boberach, Meldungen aus dem Reich 15, S. 6131).


Rüstungsminister Albert Speer versuchte in Sinne des „Totalen Krieges“ alle Kräfte, Rohstoffressourcen, Materialien, Maschinen und Menschen für einen Krieg zu mobilisieren, der nicht mehr zu gewinnen war. Trotzdem suchten die Machthaber wenigstens den Anschein der Normalität aufrechtzuerhalten. Das zeitweilige Angebot verknappter Ware wie Weißbrot, Wurst und Fleisch wurde sehr werbewirksam herausgestellt. Die Bekleidungsindustrie produzierte nach wie vor modische Attraktionen.


Das Zwanghafte in diesen Bemühungen um Normalität zeigte sich exemplarisch im Unterhaltungsfilm jener Jahre. Die Kameraleute der Goebbelschen Traumfabrik hatten peinlich genau darauf zu achten, dass keine brennenden Häuser ins Bild kamen.


Hinzu traten großsprecherische Verheißungen für die Zeit nach dem „Endsieg“. Das Automobil für die „Volksgenossen“, der Volkswagen, war fest versprochen. Robert Ley, seit 1940 auch „Reichskommissar für den sozialen Wohnungsbau“, propagierte ein umfangreiches Wohnungsbauprogramm für die Nachkriegszeit.


Je länger der Krieg dauerte, je hilfloser sich die Deutschen den alliierten Bombenangriffen auf ihre Städte ausgesetzt sahen, desto depressiver wurde die Stimmung, desto mehr verstärkte sich jetzt auch die Kritik insbesondere am sogenannten Totalen Krieg mit all seinen Konsequenzen. Das Ziel des „moral bombing“, die deutsche Bevölkerung so zu demoralisieren, dass sie sich gegen den Nationalsozialismus wandte, wurde jedoch nicht erreicht.


Die Kritik ging einher mit der schon mit an Verzweiflung grenzender Ungeduld gestellten Frage: Wann kommt nun endlich die Vergeltung? (ebd., S. 6093). Doch die Hoffnung auf Wunderwaffen und Vergeltung, später sogar auf die Invasion der Alliierten als „Schicksalswendung“, erfüllten sich nicht.


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