Evangelische Kriegsdienstverweigerer


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Zwei Protestanten sind bekannt, die den Waffendienst verweigerten, und deshalb hingerichtet wurden:


Der Pazifist Hermann Stöhr erklärte in einem Brief an das Wehrbezirkskommando Stettin vom 2. März 1939, dass er den Dienst mit der Waffe … aus Gewissensgründen ablehnen müsse, da Jesus Christus dem Volk gesagt habe: Wer das Schwert nimmt, soll durch das Schwert umkommen (Mt 26,52; zit. nach: Hermle, Thierfelder, Herausgefordert, S. 671).


Nachdem er zunächst zu einer Zuchthausstrafe verurteilt worden war, erbrachte eine erneute Verhandlung am 16. März 1940 wegen Wehrkraftzersetzung die Todesstrafe. Sie wurde am 21. Juni 1940 in der Haftanstalt Berlin-Plötzensee durch das Fallbeil vollstreckt.


Martin Gauger war studierter Jurist. Da er 1934 den Eid auf Hitler verweigerte, konnte er nicht im Staatsdienst tätig werden. Ab Januar 1935 war Gauger als juristischer Hilfsarbeiter bei der Vorläufigen Kirchenleitung tätig; ab Juni 1935 leitete er die Rechtsabteilung der Bekennenden Kirche weitgehend selbstständig. Nach der Spaltung der Bekennenden Kirche wurde Gauger Justiziar beim Lutherrat, eine Tätigkeit, die er bis zum April 1940 innehatte.


Nach Kriegsbeginn kam es zum Konflikt zwischen Lutherrat und Gauger, da sich der Rat in den Augen Gaugers als allzu fatalistisch erwies. Gauger mochte sich auf den vorgeblichen „Burgfrieden“ nicht einlassen und knüpfte Kontakte mit Gegnern des Regimes wie Helmuth James Graf von Moltke.


Bei seinem langsam reifenden Entschluss, sich einer Einberufung zu entziehen, war ihm Hermann Stöhr ein wichtiges Vorbild. Als ihn am 24. April 1940 der Einberufungsbescheid erreichte, wollte er sich zunächst das Leben nehmen, machte sich dann aber auf den Weg ins Rheinland.


Er durchschwamm den Rhein bei Emmerich, wurde von niederländischer Militärpolizei aufgegriffen und interniert. Ehe sein Asylantrag entschieden und die geplante Weiterreise nach England möglich war, erfolgte der deutsche Überfall auf die Niederlande.


Gauger floh zurück nach Deutschland, wurde jedoch verhaftet und zwischen dem 24. Mai und 7. Juni 1940 von Gestapo-Mitarbeitern in Düsseldorf verhört. Am 12. August wurde Schutzhaft gegen ihn verhängt, die er zum Teil wegen einer Verletzung in der Lazarettabteilung der Strafanstalt Düsseldorf-Derendorf verbrachte. Am 12. Juni 1941 wurde er ohne Verhandlung und Gerichtsurteil in das Konzentrationslager Buchenwald überführt und hatte im dortigen Steinbruch schwerste Arbeit zu verrichten.


Mitte Juni wurde Gauger, wie zahlreiche andere gesundheitlich angeschlagene Häftlinge, von einer Ärztekommission ausgesondert und mit dem sogenannten „Invalidentransport“ in die ehemalige Heil- und Pflegeanstalt Pirna-Sonnenstein deportiert. Dort wurde Gauger mit den anderen Häftlingen am 15. Juli 1941 im Alter von 35 Jahren vergast. Der Familie wurde als Todesursache „Herzschlag“ und als Todesdatum der 23. Juli mitgeteilt.


Anzuführen sind noch zwei Theologen, beide waren in der Bekennenden Kirche engagiert, die den Kriegsdienst verweigerten, aber letztlich – gegen ihr eigenes Gewissen aus Rücksichtnahme auf die Eltern – zum Sanitätsdienst bereit waren:


Der Frankfurter Vikar Ernst Friedrich (1909–1985) begründete im August 1937 seine Ablehnung einer Einberufung zu einer Landwehrübung ausführlich und verwies insbesondere darauf, dass Gott das Töten verboten habe; allenfalls zur Selbstverteidigung des Staates sei es legitim. Der den Fall untersuchende Hauptmann stellte Friedrich zurück, er solle seine Position überdenken.


Als er 1940 erneut gemustert wurde und wieder den Dienst an der Waffe verweigerte, wurde ein Verfahren wegen Wehrkraftzersetzung eingeleitet. Aus Sorge um seine Eltern erklärte Friedrich seine Bereitschaft, Sanitätsdienst zu leisten. Bis Kriegsende diente er als Soldat und war bis 1947 in Kriegsgefangenschaft.


Wilhelm Schümer (1909–1943) war als Pfarrer der reformierten Gemeinde in Frankfurt Mitglied im Internationalen Versöhnungsbund, Pazifist und Gegner des Nationalsozialismus. 1935 sprach er sich in einer Predigt offen gegen das NS-Propagandablatt „Der Stürmer“ aus. Die sich daraus – und aus weiteren Konflikten – mit dem Presbyterium ergebenden Probleme führten schließlich 1937 zu seiner Amtsniederlegung.


Nach seiner Einberufung verweigerte Schümer den Fahneneid und den Kriegsdienst. Da er Repressalien gegen seinen Vater, einen bekannten Pazifisten, fürchtete, willigte er ein, Sanitätsdienst zu leisten. Schümer ist seit Juni 1943 an der Ostfront vermisst.


Quelle / Titel


  • Stöhr: ©Reproduktion Gedenkstätte Deutscher Widerstand; Gauger: ©Familienarchiv Gauger / Abdruck: B. Böhm: „Die Entscheidung konnte mir niemand abnehmen". Dresden 1997

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