„Bekenntnisschule“ kontra „Gemeinschaftsschule“


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Die nationalsozialistischen Machthaber bekämpften den öffentlichen Einfluss der Kirchen besonders auf dem Gebiet der Erziehung von Kindern und Jugendlichen, für das sie das Monopol beanspruchten. Dazu beseitigten sie nicht nur die konfessionellen Jugendverbände, sondern auch die Bekenntnisschulen, an denen Schüler eines Bekenntnisses von konfessionell ebenfalls gebundenen Lehrkräften unterrichtet wurden.


Über die Abschaffung der Bekenntnisschule und die Einführung einer christlichen Gemeinschaftsschule wurde bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zwischen Staat und Kirche gestritten. Auch die Weimarer Reichsverfassung von 1919 hatte die Einführung der Gemeinschaftsschule als Regelschule vorgesehen. Da es jedoch nie zur Verabschiedung des geplanten Reichsschulgesetzes gekommen war, bildete die Bekenntnisschule vielerorts auch weiterhin die Regelschule.


Um die Bekenntnisschule zu beseitigen, führten die Nationalsozialisten sogenannte „Schulabstimmungen“ durch. Diese Abstimmungen sollten den Anschein erwecken, dass die Eltern von schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen sich freiwillig für die Gemeinschaftsschule entschieden.


Tatsächlich jedoch wurden sie von Staats- und Parteistellen massiv unter Druck gesetzt: So wurde den Eltern im Vorfeld der Schulabstimmung im Gau Saarpfalz im März 1937 mit dem Verlust des Arbeitsplatzes und der Streichung finanzieller Beihilfen gedroht. Zudem sahen sich die Gegner der Gemeinschaftsschule dem Vorwurf des Vaterlandsverrats ausgesetzt.


Ähnlich gingen die nationalsozialistischen Machthaber auch in anderen Gebieten vor. Die Einschüchterungspolitik verfehlte ihre Wirkung auch bei kirchlich gebundenen Eltern nicht: Die Abstimmungen führten zu überwältigenden Mehrheiten für die Gemeinschaftsschule.


Doch gab es auch innerhalb der evangelischen Kirche durchaus Stimmen, die für die Einführung der Gemeinschaftsschule plädierten, wie etwa Theodor Ellwein, Schulfachmann und Oberkonsistorialrat in der obersten Verwaltungsbehörde der Deutschen Evangelischen Kirche.


Auf entschiedene Ablehnung stieß sie hingegen vor allem in der Bekennenden Kirche. So weigerte sich der als „gemäßigt“ geltende Rat der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands in einem Schreiben an Reichserziehungsminister Rust vom 29. Juli 1937, die Abstimmungsergebnisse als Willenskundgebungen der evangelischen Elternschaft anzuerkennen. Er forderte die Beibehaltung der Bekenntnisschule und äußerte die Befürchtung, dass als nächster Schritt der Religionsunterricht an den Gemeinschaftsschulen beseitigt werden solle, wie es an den Adolf-Hitler-Schulen und „Nationalpolitischen Erziehungsanstalten“ bereits der Fall war.


Offensiver kämpfte der „radikale“ Flügel der Bekennenden Kirche gegen die Abschaffung der Bekenntnisschule. Einen hohen Parteifunktionär zitierend, sprach die Zweite Vorläufige Kirchenleitung in einem offenen Brief an die evangelischen Eltern und Erzieher deutlich aus, was von der versprochenen „Christlichkeit“ der Gemeinschaftsschule unter den Bedingungen des NS-Staates zu erwarten war: eine nationalsozialistische Bekenntnisschule, die jeden jungen deutschen Menschen in allen Unterrichtsfächern zu einem Bekenner der Idee Adolf Hitlers erziehen sollte.


Da die Gemeinschaftsschule, auch wenn sie sich als christlich bezeichnet, den Verzicht auf jede bewußt christliche Erziehung bedeute, forderte die Vorläufige Kirchenleitung Eltern und Erzieher dazu auf, sich bei den Schulabstimmungen nicht einschüchtern und überreden zu lassen und die Unterschrift für die Gemeinschaftsschule zu verweigern.


Quelle / Titel


  • ©Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte München, Nachlass von Soden 11

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