Kampf um den Religionsunterricht


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Der NS-Staat gewährleistete zwar offiziell den konfessionellen Religionsunterricht an den Schulen, versuchte jedoch zunehmend, die Unterrichtsstunden zu reduzieren und alle Lehrinhalte aus dem Religionsunterricht zu beseitigen, die der nationalsozialistischen Ideologie widersprachen.


Leichtes Spiel hatte er dabei in deutschchristlich geleiteten Landeskirchen wie vor allem in Thüringen. Hier wurde schon 1936 das Alte Testament aus den Lehrplänen gestrichen. Bei der Einführung der neuen Thüringer Lehrpläne empfahl der Hildburghausener Schulrat stattdessen die Verwendung des antisemitischen Hetzblattes „Der Stürmer“, mit dessen Hilfe den Kindern eindrücklich dargelegt werden könne, daß das Judenvolk sich in 2.000 Jahren in keiner Weise geändert hat. Ein 1938 von Landesjugendpfarrer Hugo Rönck herausgegebenes Handbuch für den Religions- und Konfirmandenunterricht „Ein Reich – ein Gott! Vom Wesen deutschen Christentums“ enthielt als Unterrichtsmaterial dann auch einzelne Ausgaben des „Stürmer“.


Als weiteren Hebel zur Einflussnahme auf den Religionsunterricht benutzten Staat und Partei die Lehrerschaft, der z. B. in Mecklenburg der Kirchenaustritt nahegelegt wurde. In einzelnen Dorfschulen führten die Austritte dazu, dass der Religionsunterricht ganz zum Erliegen kam.


Anders verlief es in Württemberg, wo die Landeskirche zur Bekennenden Kirche gehörte. Nachdem es dem Kultministerium gelungen war, die Bekenntnisschulen zu beseitigen und flächendeckend die Gemeinschaftsschule einzuführen, nahm Kultminister Christian Mergenthaler jetzt zugleich Unterrichtsinhalte, Lehrkräfte und Eltern ins Visier, um den bekenntnismäßigen Religionsunterricht auszuhebeln.


In einem Erlass vom 28. April 1937 ordnete er an, dass die Erziehung der deutschen Jugend … einheitlich im Geiste des Nationalsozialismus zu erfolgen habe. Dementsprechend seien alle Stoffe aus dem Religionsunterricht auszuscheiden, die dem Sittlichkeitsempfinden der germanischen Rasse widersprechen, insbesondere gewisse Teile des Alten Testaments. Außerdem verlangte Mergenthaler von Pfarrern, die an öffentlichen Schulen Religionsunterricht erteilten, die Ablegung eines Treuegelöbnisses, mit dem sie sich zum Gehorsam gegenüber Hitler verpflichten sollten.


Die Anordnungen Mergenthalers führten nicht nur zu zahlreichen Protesten der württembergischen Kirchenleitung, sondern brachten auch Pfarrer, Lehrer und Eltern in schwere Gewissenskonflikte. 700 Pfarrern wurde das Recht zur Erteilung von Religionsunterricht entzogen, weil sie nur unter dem Vorbehalt ihres Ordinationsgelübdes zur Ablegung des Gelöbnisses bereit waren.


In Heidenheim verlor der Religionslehrer Studienrat Johannes Friedrich Faber seine Stelle, nachdem er sich auf einer Elternversammlung zum Alten Testament bekannt und dazu festgestellt hatte, wenn er einen anderen Standpunkt einnehmen würde, so könnte er nicht mehr vor die Schüler treten, sondern müßte zusammenpacken und gehen. Auf einer Elternversammlung in Bernhausen verließen viele Eltern den Saal, als der Oberschulrat das Alte Testament angriff und sie als Staatsfeinde bezeichnete.


Vielerorts meldeten Eltern ihre Kinder vom Religionsunterricht ab, weil die Anordnungen des Kultministers die christliche Erziehung gefährdeten. Mergenthaler reagierte darauf mit der Einführung eines Weltanschauungsunterrichts für die betroffenen Kinder. Dass er die von ihm geplante vollständige Ersetzung des Religions- durch den Weltanschauungsunterricht letztlich nicht erreichte, war auch das Ergebnis der Beharrungskraft vieler Eltern, die sich – ansonsten keineswegs regimekritisch – in diesem Punkt der ideologischen Gleichschaltung verweigerten.


Quelle / Titel


  • ©Landeskirchliches Archiv Stuttgart, D1/78

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